Der konservative Kampf gegen die Natur

In ihrem Buch zeichnet die Historikerin Ella Müller die Radikalisierung der Republikanischen Partei anhand von Umweltschutzfragen in den USA nach. Das Buch empfiehlt sich dabei als ein historischer Wegweiser für die umweltpolitischen Konflikte der Gegenwart und Zukunft, schreibt Tobias Adler-Bartels.

Der Mensch und die Eule führen eine komplizierte Beziehung – während der Jagdvogel für die einen vor allem aufgrund seiner vorrangig nächtlichen Aktivität stets vom nahenden Unheil sowie der Vergänglichkeit und dem Tod kündet, symbolisiert das Tier mit der markanten Kopfform für die anderen seit der Antike die Weisheit und Klugheit, die bekanntlich mit Hegel damit begründet wird, dass die Eule der Minerva erst in der einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt. 1 Zur kulturellen und künstlerischen Symbolik dieser Tiere siehe Desmond Morris: Eulen (Naturkunden, No. 13), Berlin.  Doch nicht nur symbolisch spaltet die Eule die Gemüter – auch realiter entfachen sich ob ihrer Präsenz in der Umwelt handfeste Konflikte. So war das natürliche Habitat des in den Wäldern des amerikanischen Nordwestens beheimateten Fleckenkauzes, der Northern Spotted Owl, ab den 1970er Jahren aufgrund der Expansion der Holzindustrie stark bedroht und der Vogel rückte ins Zentrum eines jahrzehntelangen umweltpolitischen Kulturkampfes.

Motiviert durch die Verabschiedung des Endangered Species Act von 1973 versuchten Umwelt- und Artenschutzbewegungen die Abholzung des Lebensraumes des Fleckenkauzes zu verhindern und großflächige Schutzgebiete für den Fleckenkauz einzurichten, wobei sie sich dem vehementen Widerstand sowohl der lokalen Bevölkerung als auch der mächtigen Holzindustrie ausgesetzt sahen, die gegenüber dem Schutz des Vogels auf die Sicherung der Arbeitsplätze sowie der aus ihrer Sicht damit unmittelbar verknüpften Zukunftsperspektiven der Kommunen und Gemeinden pochten. Die Historikerin Ella Müller beschreibt dieses »Paradebeispiel für den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie« (S. 234), das erst in den 1990er Jahren durch die Beschlüsse einer von der Clinton-Administration einberufenen Kommission befriedet wurde, in ihrem Buch »Die amerikanische Rechte und der Umweltschutz. Geschichte einer Radikalisierung« (Hamburger Edition, 2023) ausführlich, in dem sie die politische Lager- und Frontenbildung im Angesicht der ökologischen Frage(n) in den Vereinigten Staaten nachzeichnet.

Tobias Adler-Bartels

Tobias Adler-Bartels ist Politikwissenschaftler und arbeitet derzeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Bereich der Politischen Theorie und Ideengeschichte. In seinem Dissertationsvorhaben erforscht er die Radikalisierungsdynamiken des deutschen Konservatismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Blinde Flecken der Konservatismusforschung

In ihrer gut 360 Seiten langen, für die Publikationsfassung überarbeiteten Dissertationsschrift, die Müller am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Freiburg eingereicht hat, zeichnet sie in sieben chronologisch vorgehenden Kapiteln »die Genese von Anti-Environmentalism als politische[r] Haltung und Projekt« (17) nach und greift hierzu auf umfangreiches Quellenmaterial zurück, das sie in zahlreichen Archiven der USA eingesehen hat. In ihrem Buch, das durch ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein hilfreiches Personenregister ergänzt wird, verwebt Müller die Geschichte der amerikanischen Umweltschutzbewegung sowie die Herausbildung eines ökologisch verantwortlichen Staates mit der Radikalisierungsgeschichte des amerikanischen Konservatismus seit den 1970er Jahren; entsprechend siedelt Müller das Werk »auf der Schnittstelle zwischen einer Geschichte der Umweltpolitik und der Geschichte der konservativen Bewegung« (19f.) an.

Dass die Radikalisierungsdynamik sowohl des konservativen Milieus im Ganzen als auch des konservativen Anti-Environmentalism im Speziellen lange Zeit kaum systematisch in den Blick genommen wurde, führt Müller auf einige latente Probleme und Sinnkrisen der (historischen) Konservatismusforschung sowie einen grundsätzlich liberalen bias der amerikanischen Geschichtswissenschaften zurück. Erst in den letzten Jahren sei – auch begründet durch die Suche nach Erklärungen für den politischen Aufstieg Donald Trumps – eine Neuausrichtung der historischen Konservatismusforschung festzustellen, die mit einigen Perspektivwechseln einhergehe: So betone die neuere Forschung sowohl die Relevanz als auch die Kontinuität von rassistischen Einstellungen und Motiven innerhalb des modernen Konservatismus (v.a. im Kontext des konservativen Kampfes gegen das Civil Rights Movement seit den 1960er Jahren), kritisiere verbreitete Vorstellungen und Rechtfertigungen eines vermeintlich konservativen backslash gegen eine liberal-progressive ‚Überspannung‘ und betrachte den Aufstieg von Trump keinesfalls als einen ‚Bruch‘ in der Geschichte der Republikanischen Partei, sondern betone vielmehr selbstkritisch die blinden Flecken der geschichts- und politikwissenschaftlichen Untersuchungen zu dieser Partei und ihrem (rechts-)intellektuellen Umfeld. Durch ihren Fokus auf das gemäßigte Milieu der Republikanischen Partei habe die professionelle Konservatismusforschung radikale Akteure und Bewegungen wie etwa die John Birch Society oder relevante Vertreter der white-supremacy-Ideologie wie David Duke lange Zeit weitgehend ignoriert und entsprechend ein relativ eindimensionales Bild des amerikanischen Konservatismus gezeichnet. 2 Siehe hierzu John S. Huntington (2021): Far-Right Vanguard. The Radical Roots of Modern Conservatism, Philadelphia.

Der grüne Leviathan: Die Geburt des Environmental Management State

Bevor sich Müller der rechten Kritik an der Umweltpolitik widmet, zeichnet sie zunächst im ersten Kapitel »Die Geburt des Environmentalism« die Herausbildung und Konturen eines ökologisch verantwortlichen Staates nach, fand doch der moderne Umweltschutz seine Heimat zunächst in den Vereinigten Staaten. Im Environmental Management State – eine Begriffsprägung des US-Umwelthistorikers Adam Rome – kleidete sich der amerikanische (demokratische) Leviathan in ein grünes Gewand und avancierte so ab den 1960er und 70er Jahren zum »Vorreiter in Sachen Umweltschutz« (10). 3 Siehe Adam Rome (2001): What Really Matters in History? Environmental Perspectives on Modern America, in: Environmental History 7 (2), S. 303-318.  Den programmatischen und historischen Hintergrund bildeten die Konjunkturen der Reformagenden der sog. Progressive Era sowie der New Deal-Politik, mit denen jeweils ein markanter Ausbau des Wohlfahrtsstaates, des militärisch-industriellen Komplexes sowie der umweltpolitischen Regulierungen verbunden war. Der Environmental Management State zielte entsprechend keineswegs nur auf das hehre Ziel des Natur- und Umweltschutzes, sondern diente gleichfalls dazu, »staatliche Handlungsmacht in der Wirtschaftspolitik zu demonstrieren« (36), wie etwa der 1905 gegründete Forest Service verdeutlicht, dessen primäre Aufgabe vor allem die bundesstaatliche Regulierung der Holzindustrie im Nordwesten der USA war. 

Infolge zahlreicher Umweltskandale sowie der damit einhergehenden neuen Sensibilität für Umweltfragen kam es dann seit den 1960er Jahren zu einer Ausweitung der umweltpolitischen Maßnahmen. So warnte etwa die Biologin Rachel Carson in ihrem Beststeller »The Silent Spring« (1962) vor den Gefahren der unregulierten Verwendung von Pestiziden wie dem Insektenbekämpfungsmittel Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), sodass dieses schließlich – allerdings erst nach langen Debatten und unzähligen Gutachten – 1972 für den Gebrauch in der Landwirtschaft verboten wurde. Die von den Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson initiierten Gesetzesinitiativen des Clean Air Act (1963), des Land and Water Conservation Fund Act (1964) oder des Endangered Species Preservation Act (1966) waren Ausdruck einer »neuen Vision liberaler Staatlichkeit« (41) und zielten entsprechend darauf ab, die ‚Lebensqualität‘ der amerikanischen Bürger:innen zu verbessern. Müller macht deutlich, dass diese administrativen Umweltinitiativen (noch) von einer breiten politischen Mehrheit getragen waren; selbst ein so ‚aufrührerischer‘ Konservativer wie Barry Goldwater, Senator für seinen Heimatstaat Arizona und 1964 Präsidentschaftskandidat der Republikaner, 4 Zum radikalen Konservatismus von Goldwater, siehe Andrew Taylor (2016): Barry Goldwater. Insurgent Conservatism as Constitutive Rhetoric, in: Journal of Political Ideologies 21 (3), S. 242-260.  sah im Angesicht der ökologischen Frage den Staat in der politischen Verantwortung. Parallel zur staatlichen Regulierung der Umweltpolitik verlief zugleich der Aufstieg einer neuen und breiteren Umweltbewegung, den Müller u.a. am Beispiel der massenhaften und friedlichen Demonstrationen des ersten Earth Day vom 22. April 1970 festmacht. Indem sich die neuen zivilgesellschaftlichen Graswurzelbewegungen sowie global ausgerichteten NGOs die Rettung des gesamten Planeten – dessen Schönheit und zugleich Verletzlichkeit die Apollo 8-Mission der NASA durch das ikonische Foto »Earthrise« des Astronauten William Anders im Dezember 1968 der Weltbevölkerung ins Gedächtnis gerufen hatte – auf die Fahne schrieben, standen sie zugleich für einen Bruch mit den älteren, zumeist eher an lokalen Belangen orientierten Naturschutzbewegungen. Zugleich verweist Müller auf die »Frontlinien späterer Kernkonflikte« (39) innerhalb dieses Environmentalism, die zwischen dem eher ökozentrischen Gedanken der preservation auf der einen sowie der anthropozentrischen und entsprechend an der (wirtschaftlichen) Nutzbarmachung orientierten Leitidee der conservation auf der anderen Seite verliefen.

Der Aufstieg dieser heterogenen Umweltschutzbewegung war entsprechend mit den progressiven sozialen Bewegungen der 1960er Jahre verknüpft, zugleich aber war das Thema der Umweltpolitik noch kaum durch die (partei-)politischen Lagergrenzen präfiguriert, wie Müller konstatiert: »Über Umweltschutz wurde nicht entlang ideologischer Konflikte nachgedacht.« (92) So war es der Republikaner Richard Nixon, der am 1. Januar 1970 als Präsident den National Environmental Policy Act (NEPA) unterzeichnete; eine Gesetzesinitiative, die zuvor einstimmig vom Senat sowie mit überwältigender Mehrheit im Repräsentantenhaus verabschiedet worden war. Mit den nunmehr notwendigen Environmental Impact Statements, die eine zwingende Umweltverträglichkeitsprüfung für politische Entscheidungsprozesse und Planungsverfahren vorsahen und deren Missachtung in der Folge zahlreiche Klagen von Umweltverbänden nach sich zogen, sowie der neugegründeten unabhängigen Bundesumweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) erhielt der grüne Leviathan nun Schwert und Schild. Zwar gab es von Beginn an Widerstand gegen den Ausbau dieses »Umweltverwaltungsstaates« (138), dieser richtete sich jedoch (noch) nicht gegen die Institutionen im Ganzen, sondern vielmehr konkret gegen einzelne (lokale) Maßnahmen oder Entscheidungen und war entsprechend weniger ideologisch eingefärbt, wie Müller in ihrem Werk veranschaulicht.

Gleichwohl gab es bereits früh grundsätzliche Kritik am Environmentalism, der zum Teil durch persönliche Kränkungen und Entfremdungsmotive gekennzeichnet war, wie Müller am Beispiel der Biologin, frühen Umweltschutz-Aktivistin und später ersten weiblichen Gouverneurin des Bundesstaates Washington Dixy Lee Ray (1914-1994) nachzeichnet, deren Konversion zur radikalen Gegnerin der Umweltschutzbewegung sie ein ganzes Kapitel widmet. Die meinungsstarke Ray profilierte sich zunächst als anerkannte Meeresbiologin, war Beraterin der National Science Foundation und leitete in den 1960er Jahren das Pacific Science Center in Seattle; seit dem Ende der 1960er Jahre befürwortete sie angesichts der Erkenntnisse um die Endlichkeit fossiler Ressourcen einen weiteren Ausbau der Kernenergie und distanzierte sich zunehmend von der Ökologiebewegung. Nachdem Präsident Nixon sie 1972 in den Vorstand der Atomic Energy Commission berief, polemisierte sie in der Folge vehement gegen die entstehende Antiatomkraftbewegung und kritisierte auch noch nach dem Reaktorunfall von Harrisburg 1979 die vermeintlich hysterischen Reaktionen der amerikanischen Gesellschaft. Hinter der verbreiteten Skepsis gegenüber der Atomenergie konnte Ray nichts Anderes als eine irrationale Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit erkennen, die von linken Kreisen genährt werde. Entsprechend verhärteten sich die Fronten zwischen Ray und der Umweltschutzbewegung zunehmend und die persönliche Entfremdung vom grün-alternativen Milieu befeuerte die Radikalisierung von Rays Anti-Environmentalism. In ihrem späteren Buch »Environmental Overkill. Whatever happened to Common Sense« (1993) berichtete sie dann von ihren Erfahrungen beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992, rechnete insgesamt mit der Ökologiebewegung ab und polemisierte gegen die Nachhaltigkeitslehre, »hinter der sie eine sozialistisch-globalistische Verschwörung der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen gegen die USA vermutete« (134). Nachdem Ray 1976 noch auf dem Ticket der Demokraten zur Gouverneurin von Washington gewählt wurde, ging sie bald auf Distanz zu dieser Partei; ihre weitere Karriere als öffentliche Kritikerin der Ökologiebewegung wurde dann von einflussreichen Republikanern wie Nixon oder Reagan protegiert und weist schon auf die markante Rolle dieser Partei bei der Herausbildung des Anti-Environmentalism hin, die Müller dann im Weiteren unter die Lupe nimmt.

Anti-Environmentalism und die Radikalisierung des Konservatismus

Die Herausbildung des Anti-Environmentalism als politischem Projekt vollzog sich im Laufe der 1970er und 80er Jahre und war »Produkt einer großen ideologischen Verschiebung in den Vereinigten Staaten, die unabhängig von ökologischen Problemstellungen und Fragen stattfand« (95). Im ausgerufenen Kampf der Republikaner gegen die Bürgerrechtsgesetze des Civil Rights Act (1964) und Voting Rights Act (1965) formierten sich die politischen Lager neu; konservative Südstaaten-Demokraten wechselten zur GOP und liberale Republikaner wurden zunehmend an den Rand gedrängt. Der amerikanische Konservatismus offenbarte in diesem Kontext seine radikalen Seiten, wie Müller hervorhebt: »Der Konservatismus fand in Gestalt der Neuen Rechten seine langfristige politische Heimat in der Republikanischen Partei und veränderte schrittweise ihre programmatische Formatierung.« (152) Die Fanfare der Republikaner reduzierte sich auf den Dreiklang der Kritik des big government, der Verteidigung der states‘ rights sowie den Forderungen nach tax cuts (139) und bestimmte so auch die umweltpolitische Agenda der Partei. Der von der Reagan-Administration in Auftrag gegebene Nierenberg-Report von 1983 – benannt nach dessen Autor, dem amerikanischen Physiker William Nierenberg (1919-2000) – relativierte entsprechend die Warnungen der akademischen Klimaforschung, riet weitgehend von staatlichen Maßnahmen zum Umweltschutz ab und setzte bei der Lösung des Klimaproblems ganz auf den freien Markt. Die Vernetzung des organisierten Widerstands gegen die Klimaforschung und Umweltschutzbewegung fand nun in (neu-)rechten und konservativen Thinktanks wie der Heritage Foundation, dem Cato-Institute, dem Free Enterprise Institute oder dem 1984 gegründeten George C. Marshall Institute statt, die den Publikationsmarkt mit antiökologischen Schriften überschwemmten und in denen sich nun Gegenexperten profilierten, denen zumeist Deprivationserfahrungen innerhalb des akademischen Betriebs gemeinsam waren und die sich in ihren privatisierten Nischenräumen nun gegenseitig »in ihrer Selbstwahrnehmung als die letzten verbliebenen überparteilichen Forscher« (269) bestätigten.

An vielen Beispielen zeigt Müller, wie eng dieser Kampf der Republikaner gegen die ökologische Bewegung sowie die staatliche Umweltschutzpolitik durch die Wirtschaft protegiert und befeuert wurde. So verfolgte etwa der Mineralölkonzern ExxonMobil (bis 2016: Exxon) eine perfide Doppelstrategie, die einerseits den Ausbau einer hauseigenen professionellen Forschungsabteilung vorsah, in der renommierte Wissenschaftler:innen der Konzernspitze eine schonungslos realistische Perspektive des Klimawandels präsentierten und andererseits auf gezielte Desinformationskampagnen setzte, die sich v.a. an ein gebildetes Mittelschichtspublikum richtete. So platzierte der Konzern zwischen 1972 und 2001 in der New York Times zahlreiche advertorials, d.h. im Stile eines Meinungsartikels camouflierte Werbeanzeigen, die in der Tendenz darauf abzielten, die Prognosen der Klimaforschung über den menschengemachten Klimawandel grundlegend in Frage zu stellen. 5 Eine Sammlung dieser advertorials ist auf der Seite des Climate Investigations Center abrufbar: https://climateinvestigations.org/investigations/exxon-mobil-exxonmobil-ads/ (zuletzt abgerufen am 14.3.2024).  Zugleich macht Müller jedoch deutlich, dass es nicht nur diese gezielten Schmutzkampagnen waren, die dazu führten, »dass die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner über viele Jahre ein völlig falsches Bild des Debattenstands in der Forschung hatten« (298). Vielmehr gewährten die traditionellen amerikanischen Leitmedien aufgrund des selbst auferlegten Neutralitätsgebotes eines balanced reporting dem (pseudo-)wissenschaftlichen Klimawandelskeptizismus enorm viel Raum und erwiesen sich so »als unfreiwillige, aber effiziente Gehilfen der industriellen und konservativen Desinformationskampagnen« (297).

Mit der Gründung von Fox News im Oktober 1996 sowie dem zeitgleichen Aufstieg konservativer und rechter Radiosender entstanden zudem Resonanzräume und Echokammern, in denen Verschwörungserzählungen vom Klimawandel als einer Erfindung der liberalen Eliten rasch Verbreitung fanden. Diese auch aus anderen politischen Zusammenhängen bekannten Parallelwelten verweisen entsprechend auf eine epistemische Krise, »in der die Wählerinnen und Wähler keine Wahrnehmung der Realität mehr teilten und damit die Grundlage für eine lösungsorientierte Debatte fehlte« (308). Ob dieser polarisierten Verhältnisse nahm der Anti-Environmentalism in den 1990er Jahren nun zunehmend Dimensionen eines Kulturkampfes an; so stellte der extrem rechte Journalist und Politiker Pat Buchanan in seiner sogenannten »Culture War Speech« von 1992 die »environmental extremists« an den öffentlichen Pranger, »who put birds and rats and insects ahead of families, workers, and jobs« (221). Es blieb jedoch nicht nur bei markigen Worten. Die ideologische Polarisierung der Umweltpolitik begründete schließlich auch gewaltsame Aktionen, wie etwa die Besetzung des Oregon National Wildlife Refuge im Januar 2016 durch rechtsextrem-paramilitärische Gruppierungen zeigte, in dem »die Missachtung des Schutzes der Umwelt, die Verachtung gegenüber bundesstaatlichen Befugnissen, die offene Militanz« (314) des Anti-Environmentalism nun offen zur Schau gestellt wurde.

Das Ergebnis dieser konfrontativen Dynamik in Sachen Klimaschutz wurde nach dem Amtsantritt von Barack Obama offenbar, der mit einem ambitionierten Energie- und Klimaschutzgesetz noch einmal versuchte an das ursprünglich parteiübergreifende Integrationspotential des Umweltschutzes anzuknüpfen und hierzu bewusst auf die Implementierung eines Cap-and-trade-Mechanismus setzte, d.h. einen Emissionshandel, der den Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Anreizen verknüpfte. Während die Republikaner um ihren Präsidentschaftskandidaten John McCain im Wahlkampf noch selbst einen solchen Ansatz unterstützt hatten, wollten sie nun nach der Wahlniederlage davon nichts mehr wissen und da zugleich der linke Flügel der Demokraten einem solchen marktkonformen Lösungsansatz des Klimaschutzes wenig abgewinnen konnte, scheiterte Obamas Klimareform letztlich 2010 im US-Senat.

Neue Rechte und / oder Konservatismus?

Müllers Buch schildert die kontroversen Auseinandersetzungen um die ökologische Frage auf einer breiten Quellenbasis und zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem aktuellen Forschungsstand zur Transformation des politischen Denkens in den Vereinigten Staaten. Kleinere Irritationen ergeben sich lediglich mit Blick auf die leitende Terminologie. So bleibt etwa unklar, was Müller genau unter dem vielfach verwendeten Begriff der ‚Neuen Rechten‘ versteht bzw. welche Akteure konkret damit erfasst und bezeichnet werden. Dass sich eine ‚Neue Rechte‘ nach Barry Goldwaters Präsidentschaftskandidatur »als kohärente Bewegung« (147) formiert habe, scheint mit Blick auf das sehr heterogene rechte Milieu doch eher zweifelhaft. Da sich Müller zumeist auf die Radikalisierung innerhalb der Republikanischen Partei fokussiert, bleiben die eigentlich neurechten Akteure und Bewegungen außen vor, da diese sich im dezidierten Gegensatz zu jener – in ihren Augen pseudokonservativen – Partei als auch dem professionellen Politikbetrieb insgesamt profilierten. So ließe sich im kritischen Anschluss an Müllers Studie das eigenwillige Feld der sog. Paläokonservativen um Pat Buchanan oder Paul Gottfried in den Blick nehmen, die sich als authentisch-konservative Gegenspieler zum Neokonservatismus der Republikanischen Partei verstanden und aufgrund ihrer traditionellen Skepsis gegen die modernen Auswüchse einer globalisierten Ökonomie auch zu einer ganz anderen, d.h. weniger polemischen Bewertung in Umweltfragen kamen, die vermutlich aus dem hier angelegten Rahmen des Anti-Environmentalism fallen würde. 6 Zum amerikanischen Paläokonservatismus siehe Edmund Fawcett (2020): Conservatism. The Fight for a Tradition, Princeton/Oxford, S. 367ff.

Auch die programmatischen Konturen der beiden Leitbegriffe des Environmentalism bzw. Anti-Environmentalism bleiben etwas unscharf bzw. müssen unscharf bleiben, indem Müller konstatiert, dass sich beide Bewegungen nicht durch eine kohärente Programmatik oder eindeutig identifizierbare Zukunftsvorstellungen auszeichnen. Diese erkenntnisleitenden Begriffe dienen lediglich als relativ abstrakte und formale Klammern für sehr heterogene Akteure und Bewegungen und es wären weitere inhaltliche bzw. ideologische Differenzierung notwendig, um zwischen neokonservativen bzw. neoliberalen und traditionell konservativen Anti-Environmentalismen zu unterscheiden. Zudem wirft das Beispiel der Konversion von Dixie Lee Ray die Frage auf, ob der Abgrenzungsbegriff des Anti-Environmentalism tatsächlich glücklich gewählt ist, lässt er doch wenig Raum für Graubereiche, wie sie etwa der weniger polemische Begriff des Environmental Scepticism nahelegt. 7 Siehe zu den programmatischen Konturen und leitenden Argumentationsfiguren eines solchen Environmental Scepticism Elisabeth Harding (2019): A Conceptual Morphology of Environmental Scepticism, in: Journal of Political Ideologies 24 (3), S. 295-313.

Diese kleineren terminologischen Schwächen schmälern jedoch keineswegs den Erkenntnisgewinn dieses wichtigen Buches. Müller macht darin zweifelsohne deutlich, dass der Siegeszug des Anti-Environmentalism von Dynamiken bestimmt wurde, »die ihren Ursprung außerhalb ökologischer oder umweltpolitischer Zusammenhänge hatten« (323). Entsprechend seziert sie die zugrundeliegenden politischen Konfliktlinien sowie konstitutiven Feindbilder dieses ideologischen Stellvertreterkrieges, der sich als eine weitere Episode des Kampfes des (radikalen) Konservatismus mit dem Liberalismus entpuppt. Hieraus erklärt sich denn auch die polemische Logik und eskalative Dynamik des Anti-Environmentalism, die strukturell über den amerikanischen Kontext hinausweisen. Das Buch empfiehlt sich entsprechend als ein (historischer) Wegweiser für die umweltpolitischen Konflikte der Gegenwart und Zukunft auf beiden Seiten des Atlantiks.