Katharina Pistor Der Code des Kapitals (Suhrkamp)

»Der Code des Kapitals« von Katharina Pistor

Mit »Der Code des Kapitals« greift die Autorin Katharina Pistor eine durchaus nicht unbelastete disziplinäre Schnittstelle auf, indem das Buch aus der Rechtswissenschaft heraus sozioökonomische Schlussfolgerungen zu ziehen sucht. Hiermit betritt die Autorin vergleichsweise unerschlossenes Terrain.

Mit „Der Code des Kapitals” greift die Autorin Katharina Pistor eine durchaus nicht unbelastete disziplinäre Schnittstelle auf, indem das Buch aus der Rechtswissenschaft heraus sozioökonomische Schlussfolgerungen zu ziehen sucht. Die Vorbelastung dieses Bereiches ergibt sich dabei insbesondere aus dem von der Chicago School abgesteckten Feld der „Law and Economics”, das zuvörderst seine Aufgabe darin sah und sieht, die Effizienzmaßstäbe der neoklassischen Volkswirtschaftslehre in die Sphäre der Jurisprudenz zu tragen. Hier tut sich schon die Differenz zwischen den interdisziplinären Ansätzen auf; während Pistor in ihrem Sachbuch eine Analyse rechtlicher Strukturen vornimmt, um vor allem das Phänomen der rasant wachsenden ökonomischen Ungleichheit zu erhellen, ist das Interesse der „Law and Economics” in der Hauptsache die Betrachtung des Rechts unter der Linse des homo oeconomicus. In Anbetracht dieses Sachverhalts betritt die Autorin mit ihrer Herangehensweise, soweit ersichtlich, vergleichsweise unerschlossenes Terrain, wobei sie sich nicht nur an eine Fachöffentlichkeit, sondern an ein allgemein interessiertes Publikum richtet.

Erstes Kapitel

Das erste Kapitel beginnt denn auch mit der Darstellung der globalen Vermögensverteilung von 1980 bis 2017. Während in diesem Zeitabschnitt die unteren 50% der Weltbevölkerung einen Anteil von etwa 12% am weltweiten Vermögenswachstum zu verzeichnen hatten, kommt das obere 1% auf einen Anteil von 27%. Dabei habe diese Entwicklung weitverbreitete Erwartungen frustriert, die in den 1980er Jahren aufgekommen seien und insbesondere mit der einstweiligen Entscheidung der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West nochmals Auftrieb erhielten; so man doch fest daran geglaubt habe, dass von einer umfassenden Liberalisierung und „Entfesselung der Marktkräfte” alle profitieren würden. Pistor legt sich folgend die Frage vor, wie diese ausgeprägt disparate Vermögensentwicklung erklärt werden kann, und obgleich sie marxistische oder globalisierungskritische Antworten nicht gänzlich verwirft, findet sie die Antwort im „Rechtscode des Kapitals” (S. 17). Hier kommt nun die begriffliche Innovation des Werkes zum Vorschein, die demselben auch als Gerüst dient und deshalb eingehend kritisch beleuchtet werden soll. Das Kapital besteht demnach aus zwei Komponenten: Einerseits aus einem „Gut”, das im weitesten Sinne jedes Objekt, jede Forderung, Fähigkeit, Idee et cetera bedeuten kann, und andererseits aus einer Codierung im staatlichen Recht.

Victor Loxen

Victor ist Student der Rechtswissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte. Er arbeitet als studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staatstheorie, Politische Wissenschaften und Vergleichendes Staatsrecht von Prof. Florian Meinel an der Universität Göttingen.

»Das Kapital besteht […] aus zwei Komponenten: Einerseits aus einem „Gut”, das im weitesten Sinne jedes Objekt, jede Forderung, Fähigkeit, Idee et cetera bedeuten kann, und andererseits aus einer Codierung im staatlichen Recht.«

Die Konzeption der rechtlichen Codierung als notwendiger Bestandteil dieses Kapitalbegriffs ist jedoch schon im Ansatz einigen Unklarheiten sowie werkimmanenten Widersprüchen ausgesetzt. So heißt es in der ersten Explikation ihres Kapitalbegriffs, die „richtige” rechtliche Codierung verwandele Güter in Kapital, wodurch deren „Tendenz” Vermögen zu schaffen „verstärkt” werde (vgl. S. 17). Dies wird durch einen Satz auf der nächsten Seite seltsam konterkariert, der die rechtliche Codierung scheinbar als grundlegende Bedingung der Möglichkeit von Vermögenserzeugung konstatiert; erst durch sie sei das Gut „geeignet” (S. 18) Vermögen zu erschaffen. Auch die englische Originalfassung lässt keine andere Auslegung zu. Das scheint aber der Intention von Pistor zuwiderzulaufen, die das Vokabular der Rechtscodierung sonst durchgehend synonym mit Privilegierung gebraucht (vgl. etwa S. 19, 22, 321). Die Verwirrung stellt sich dann vollends ein, wenn folgend behauptet wird, das Kapital verdanke seine vermögensbildende Fähigkeit der rechtlichen Codierung (vgl. S. 32), und daher e contrario nicht dem Gut selber. Zusätzlich könne „im Prinzip jedes Gut in Kapital verwandelt werden” (S. 32). Ob diese absolute Abstraktion der Wertbildung vom jeweiligen Gut plausibel, oder ob eine solche Aussage überhaupt von der Autorin beabsichtigt ist, bleibt in Ansehung von Metaphern, die doch wieder vermögensgenerierende Faktoren im Gut selber implizieren (vgl. „legale Steroide”, S. 30) vollkommen unklar. Ungeachtet dessen gelingt die Grundlegung für eine weitere Kernthese des Buches: das Bedürfnis des Kapitalismus nach einer zumindest latent-drohenden Durchsetzung etwaiger Ansprüche oder Rechte durch einen Staat. Letztlich wird der Rechtscode in vier Module ausdifferenziert: die Priorisierung, die schuldrechtliche Vorteile für Gläubiger beinhaltet, die Beständigkeit, mit der Rechtspositionen vor Zugriffen von Gläubigern abgeschirmt werden können und potentiell unendliche Lebensdauer erhalten, ferner noch Universalität, die Beständigkeit und Priorität erga omnes durchsetzt, wobei hier der Staat auf den Plan tritt, und schließlich Konvertierbarkeit, das heißt Umwandelbarkeit der privaten Werte in Staatsgeld. Diese Module können für die nächsten Kapitel als Werkzeugkoffer angesehen werden, womit das erste gleichzeitig den Charakter eines „Allgemeinen Teils” erhält.

Zweites Kapitel

Der zweite Abschnitt beginnt mit der Darstellung eines konkreten Gerichtsprozesses zwischen den Maya und dem Staat Belize, in dem jene die traditionellen Nutzungsgepflogenheiten ihrer Ländereien als Eigentum subsumiert sehen wollten, um die von der Regierung ungefragt verteilten Konzessionen an Unternehmen abzuwehren. Hieran zeigt Pistor schlüssig auf, dass jede Eigentumsordnung immer auch auf wertungs- und machtdurchtränkten Gestaltungen beruht. Es folgt die Ausarbeitung der Genese des Privateigentums an Grund und Boden, die sich im England des 16. Jahrhunderts durch den von Landlords betriebenen Einhegungsprozess der commons, also des gemeinschaftlichen Landbesitzes, vollzogen hat. Dies ist im Wesentlichen der vor juristischer Folie betrachtete historische Topos der „ursprünglichen Akkumulation” in England, den bereits Karl Marx im »Kapital« umfassend bearbeitet hat.

»Dies ist im Wesentlichen der vor juristischer Folie betrachtete historische Topos der „ursprünglichen Akkumulation” in England, den bereits Karl Marx im Kapital umfassend bearbeitet hat.«

Darüber hinaus gehen dagegen die interessanten Ausführungen zur Eigentumserlangung der Siedler in Amerika, entweder durch gewaltsames squatting, das durch europazentrische Rechtsprechung legitimiert wurde, oder täuschungsbedingte Landkäufe, bei denen die indigene Bevölkerung zumeist geglaubt hat, nur ein Nutzungsrecht zu verkaufen. In England ging nun schon aus der Feudalität eine radikal ungleiche Eigentumsverteilung hervor, doch sei diese dann im Rahmen der rechtlichen Codierung zusätzlich einem Konstrukt für besonderen Schutz vor Gläubigern unterworfen worden. Erst in den 1880er Jahren sei die starke Privilegierung aufgehoben worden, und dies auch nur, weil jene Oberschicht durch Wahlreformen die Kontrolle über das Parlament verloren habe. Am Ende des Kapitels erläutert Pistor eingängig das Rechtsinstrument des trusts, das in England erstmals entwickelt wurde sowie zu einem Grundbaustein des rechtlichen Codes werden sollte, und hebt eindrücklich hervor, dass konkrete Eigentumsrechte „sich in den Fugen zwischen Staaten, Macht und Recht” (S. 83) entwickeln, also keineswegs natürlich gegeben sind. Nota bene ist diese weitreichende Gestaltbarkeit im deutschen Verfassungsrecht, wie in den Anmerkungen auch notiert, mit Art. 14 I S. 2 GG dogmatisch anerkannt.

Drittes Kapitel

Das dritte Kapitel widmet sich den Möglichkeiten der Vermögensabschirmung und regulatorischen sowie steuerlichen Optimierung im Kontext des Gesellschaftsrechts. Im Zuge dessen werden die Lehman Brothers seziert, um insbesondere anhand deren Insolvenz in der Finanzkrise 2007/2008 die besonderen juristischen Konstruktionen moderner Großunternehmen auszuleuchten. Hierbei wird einerseits die Unternehmensstruktur dieser Kapitalgesellschaften am Beispiel jener Investmentbank luzide dargestellt, andererseits die wirtschaftlich attraktiven Vorgehensweisen im staatlich sanktionierten Recht akribisch aufgeschlüsselt. Pistor unterscheidet im Folgenden mit dem entity shielding, also der Isolation einzelner Vermögenspools in Tochtergesellschaften, der Verlustverschiebung innerhalb von Aktienunternehmen, der Unsterblichkeit durch das Verbot der Einlagenrücknahme und dem durch das Internationale Privatrecht ermöglichten Rechte- und Regulationsshopping, welches insbesondere die sogenannte Steueroptimierung beinhaltet, vier dem Modul der Beständigkeit untergeordneten Codierungsstrategien im Gesellschaftsrecht.

Viertes Kapitel

Das nächste, wahrscheinlich komplexeste Kapitel, rückt die Welt der Finanzinstrumente, in Sonderheit der Schuldtitel, in den analytischen Lichtkegel. Die Beständigkeit, im vorigen Kapitel als vorrangiges Modul des Gesellschaftsrechts ausgemacht, könne in der Logik des Finanzmarktes kaum im Vordergrund stehen; vielmehr ziele man darauf ab, die privaten Wertanlagen qua höchstmöglicher Konvertibilität, dem vierten Grundelement der Codierung, verlässlich in nominal stabiles Staatsgeld umwandeln zu können. Auch hier geht Pistor exemplarisch vor und greift sich den Trust NC2 heraus. Diese Verbriefungsstruktur bündelt mit Hypotheken gesicherte Kredite, um sie daraufhin zu tranchieren und somit für unterschiedliche Ankäufer lukrativ zu machen, wobei die helfende Hand des Staates erneut als Möglichkeitsbedingung solcher rechtsarchitektonisch anspruchsvollen Modelle auftritt. Die Autorin begeht bei diesen Erklärungen überaus anspruchsvolle Pfade, verliert jedoch an keiner Stelle den Faden und findet immer auch sinnvolle Rückbindungen aus der Abstraktion in die konkreten Begebenheiten. Ferner wird die Entstehung des Wechsels und der verbrieften Forderung aus Schuldscheinen im Lichte der Konvertierbarkeit geschichtlich nachgezeichnet. Das Kapitel schließt mit der im Verlauf des Abschnitts sehr plausibel gemachten Folgerung, dass es (erst recht) keinen staatsfreien Finanzmarkt gebe, weil jede Finanzkonstruktion und jedes Schuldinstrument nur innerhalb des durchsetzbaren Rechts existieren kann.

Fünftes Kapitel

Im Kapitel „Die Einhegung des Codes der Natur” zeigt sich in der Behandlung des geistigen Eigentums die besondere Stärke des juristisch angereicherten Kapitalbegriffs. Zum einen wird der Mythos entzaubert, dass die Existenz der intellectual property rights Innovation bedinge — ja die Privatwirtschaft labe sich zumeist eher parasitär an staatlich finanzierter, weil wenig profitabler Grundlagenforschung, die sie, sobald ein Gewinn am Horizont erscheint, unverzüglich mit Patenten abschirme und individuell verwerte. Zum anderen erlaubt dieser es, die massiven Investitionen der Marktakteure in immaterielle Güter als Kapitalakkumulation zu begreifen und gleichsam einen konstitutiven Unterschied zu registrieren: der rechtliche Kapitalcode in konkreter Form des geistigen Eigentums folgt nicht den Regeln des Wettbewerbs, sondern denen der Macht und des Privilegs. Somit ist es auch theoretisch stringent von Pistor, die historische Unterfütterung dieser These unter die Überschrift „Eigentumsrechte als Industriepolitik” (S. 190) zu setzen, woraufhin eine entsprechend aufschlussreiche Geschichte der geistigen Eigentumsrechte ausgebreitet wird. 

»die Privatwirtschaft [labt] sich zumeist eher parasitär an staatlich finanzierter, weil wenig profitabler Grundlagenforschung, die sie, sobald ein Gewinn am Horizont erscheint, unverzüglich mit Patenten abschirmt und individuell verwertet.«

Weiterhin werden die Mechanismen eindrücklich aufgezeigt, die es den Ländern des globalen Nordens, angetrieben von Unternehmensverbänden, ermöglichen, den Schwellenländern die internationale Geltung von etwa europäischen Patenten aufzuzwingen. Das Kapitel mündet schließlich in einer schneidigen Darstellung des Geschäftsgeheimnisses und seinem monopolisierenden Nutzen für Big Data, das dieses Rechtsprinzip gebraucht, um im „Plattformkapitalismus” die eigenen Unmengen an Daten vor der Konkurrenz zu schützen.

Sechtes Kapitel

Wie kann nun aber das Paradigma des in der nationalen Rechtsordnung codierten Kapitals mit einer globalisierten Wirtschaftswelt zusammengehen, ohne den Kapitalbegriff drastisch zu partikularisieren? Darauf findet sich die Antwort im sechsten Kapitel. Die Autorin erläutert hierin den schleichenden juristischen Imperialismus des common laws, genauer: der Rechtsordnungen des Bundesstaates New York und Großbritanniens. Diese beiden Staaten hätten sich aufgrund liberaler Kollisionsregeln im Internationalen Privatrecht zu den primären, da für die Kapitalcodierung günstigsten, Rechtsordnungen aufschwingen können. Pistor zieht des Weiteren zwei besonders brisante demokratietheoretische Konfliktlinien ein. Einerseits die Problematik privater Schiedsgerichte, die vermittelst vager Investitionsschutzklauseln aus Freihandelsverträgen nationale Rechtsprechung zu kontrollieren suchen, andererseits das von privaten Verbandsverträgen und dem darauf aufbauenden Lobbyismus durchsetzte Konkursrecht, in dem die Finanzindustrie aufgrund von schierem Monopolismus stark vorteilhafte Regelungen für sich etabliert habe.

Siebtes Kapitel

Das siebte Kapitel geht sodann auf die Frage nach den Akteuren, also den Codierern des Codes ein. Dabei legt Pistor das Augenmerk eingangs auf die optimierende Tätigkeit von Rechtsanwält*innen, die sie auch in ihrer kreativen Dimension tiefgreifend herausarbeitet, indem sie die auf der Privatautonomie fußende Codierung als ex nihilo, also grundsätzlich rechtssetzende Arbeit begreift, die zumeist erst im Nachhinein von Gerichten überprüft und eingehegt werden könne. Diese Arbeit kommt zudem nicht nur sektoral im Finanzmarkt den Reichsten unverhältnismäßig stark zugute, sondern ist auch durch die astronomischen Kosten für die besten Anwaltskanzleien sozial stark stratifiziert. Nach einer Historie des Anwaltsberufes, der sich im civil law deutlich staatsgebundener präsentiert als im common law, wird abschließend eine Brücke zum vorangegangenen Kapitel geschlagen. Die Autorin fügt mit der globalisierten Rechtsordnung qua Kollisionsnormen und den nun näher untersuchten internationalen Kanzleien die originelle These eines poststaatlich-juridischen Kapitalismus zusammen, so zwar die juristische Codierung und die ihr zugrunde liegende Rechtsordnung etwaige Grenzen überwunden habe, sie jedoch noch immer auf die Anerkennung und das Gewaltmonopol irgendeines Staates angewiesen sei.

Achtes Kapitel

Eine Zukunftsperspektive verspricht Kapitel Acht zu liefern, wobei im Titel „Ein neuer Code” zugleich der Fallstrick desselben zu finden ist. Pistor erläutert darin relativ instruktiv die Blockchain-Technologie und eingebundene smart contracts, die eine Verpflichtung aus sich heraus erfüllen, ohne dass es eines Ausführungsaktes bedarf. Die soweit nachvollziehbar ausgemachte Schwachstelle dieser Technologie ist indes, dass der smart contract keinerlei Auslegungsmöglichkeiten beinhaltet und daher für die dem Recht inhärente Unvollständigkeiten, zumindest aber für eine Veränderung der Geschäftsgrundlage, keinen Raum lassen kann. Überdies werden Zukunftsvisionen der Eigentumsverteilung in einer vollständig der Kryptowährungen verschriebenen Welt konzise dargestellt und kritisch betrachtet. Insbesondere wird dargelegt, weshalb Bitcoin kein Geld im Sinne der klassischen Währungstheorie sein kann; eben, weil nur Staaten den nominalen Wert durch die Macht, Dritten einseitig Lasten aufzuerlegen, effektiv absichern können (vgl. S. 317). Der angesprochene Fallstrick lässt sich demnach nicht unmittelbar an inhaltlichen Fehlern festmachen. Es tut sich in der Lektüre vielmehr die Misslichkeit auf, dass die Metapher zu sich selbst kommt, also dauerhaft mit der eigentlichen Bedeutung des informatischen Codes in Verbindung gesetzt wird. Das Kapitel beginnt sogar mit der Identifikation „Recht ist Code” und spricht von einem Schlachtfeld zwischen digitalem Code und Rechtscode. Dieser vorerst nur verwirrender Umstand wird schließlich dadurch problematisch, dass Pistor keineswegs deutlich macht, was denn eigentlich mit dem „digitalen Code” gemeint ist. Die einfache Programmiersprache scheint es jedenfalls nicht zu sein. Hingegen könnte es sich um wertzuweisenden Code wie die in Blockchain gegossenen Kryptowährungen handeln, was wiederum viel zu spezifisch und monetär gedacht wäre, da die Autorin doch einen konstitutiven Antagonismus zwischen Rechtscode und Code-Code erkennen will. Letztlich zeichnet sich diese Ausführung durch stärkere Unschärfe aus, da die Autorin lediglich den digitalen Code „in seiner derzeitigen Gestalt” (S. 290) lose mit der Blockchaintechnologie assoziiert, sich somit aber vermutlich eine Tür für weitere Entwicklungen offenhalten will.

Neuntes Kapitel

Die Schlussbetrachtungen im neunten Kapitel können dagegen durch Plastizität überzeugen. Zunächst kann man von der Motivation hinter den gesetzlichen Privilegierungen lesen, die oftmals durch Effizienzgewinne gerechtfertigt werden würden. Dass die Effizienz jedoch keinem trickle down Effekt unterliegt, sich also nicht automatisch in der Gesamtgesellschaft wohlfahrtsfördernd auswirkt, begründet Pistor wider Adam Smith, der die grundsätzliche Lokalität von Kapital annahm, damit, dass eben diese Lokalität durch die zuvor beschriebenen Globalisierungsentwicklungen vollständig verloren gegangen sei. Außerdem wird erneut auf das dem Kapitalismus zugrunde liegende Prinzip der Privatautonomie eingegangen, das einen first mover Vorteil im Zivilrecht erzeuge und es deshalb erleichtere, private Privilegien immer weiter auszudehnen. Nachdem die These der Poststaatlichkeit des Kapitals nochmals aufgegriffen wurde, plädiert Pistor für die Repolitisierung des Rechts und lässt dann einen Katalog von acht schlüssigen Forderungen folgen, der unter anderem die Beendigung jeglicher staatlichen Sonderbehandlung des Kapitals, Eingrenzung der Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Rechtsordnungen, Stärkung von Sammelklagen und Co. sowie die verstärkte Absprache zur Hinderung von Deregulierungswettläufen enthält. Diese Ziele seien nicht nur politisch wünschenswert, sie würden sich auch für das Recht als überlebenswichtig darstellen, weil andernfalls dessen Legitimität unmittelbar gefährdet sei.