
Bild: LvMI, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Vordenker des neuen Rechtspopulismus
Hierzulande kennt kaum jemand Murray Rothbard. Dabei haben die Ideen des libertären Intellektuellen nicht nur Javier Milei und Donald Trump geprägt, sondern auch die AfD, wie David Bebnowksi und Quinn Slobodian schreiben.
Mit seinem Amtsantritt als argentinischer Präsident im Dezember 2023 verschrieb Javier Milei seinem Land einen Hybrid aus ökonomischer Schocktherapie, sozialem Konservatismus und Autoritarismus. Per ökonomischem Ausnahmezustand wurden umfangreiche Privatisierungen staatlicher Unternehmen und Deregulierungen von Arbeitsverhältnissen auf den Weg gebracht. Die Regierung schränkte die Rechte der Gewerkschaften ein und schaffte diverse Ministerien, beispielsweise das für Frauen, Gender und Diversität, gänzlich ab. Förderungen in der Armenfürsorge und für feministische Initiativen sowie Kulturprojekte fielen weg. Gleichzeitig stärkte Milei den umstrittenen Inlandsgeheimdienst und die Polizei. Sicherheitskräfte mussten nun keine Strafverfolgung mehr fürchten, wenn sie im Dienst – etwa während der Proteste gegen die Gesetze – Gewalt anwendeten.
Schon kurz vor der Wahl hatte der deutsche Ökonom Philipp Bagus in der libertären Zeitschrift Eigentümlich Frei euphorisch über Milei geschrieben: »Er ist einer von uns.« Der Autor erhielt 2016 den Förderpreis der Ludwig-Erhard-Stiftung und promovierte bei einem von Mileis Mentoren, Jesús Huerta de Soto, in Madrid. Mit Milei ist Bagus persönlich verbunden. In seinem kurz vor der Wahl erschienenen Text wünschte der Deutsche dem argentinischen Populisten alles Gute für die Wahl. Zugleich verwies er auf die Wurzeln von dessen Weltbild und Strategie. Bagus‘ Beitrag war mit »Rechter Populismus als Erfolgsstrategie« überschrieben. Dieser Titel wiederum verwies auf eine spezifische Form des rechten Populismus, die von Javier Mileis intellektuellem Vorbild, dem libertären Ökonomen Murray Rothbard, erdacht worden war.
Bagus schrieb, Rothbards 1992 erschienener Aufsatz Right-wing Populism: A Strategy for the Paleo Movement sei »wegweisend und vorausschauend. Er nimmt die Erfolge von Donald Trump in den USA und jüngst von Javier Milei in Argentinien vorweg.« Tatsächlich hat der hierzulande nahezu unbekannte Rothbard einen enormen Einfluss auf die politische Rechte. Längst haben seine Visionen auch in Deutschland Wurzeln geschlagen. Rothbards Wirken und sein strategisches Pamphlet aus dem Jahr 1992 helfen dabei, zu erkennen, welche Geschichten und Flügel in der Deutschen Neuen Rechten mobilisiert wurden und schließlich in der AfD zusammenfanden.
Diesen Zusammenhängen auf die Spur kommt man bei einem Blick auf die »Paläo-Bewegung«, Rothbards machtpolitischer Vision. Der 1926 in der New Yorker Bronx geborene Intellektuelle verstand hierunter eine Koalition aus »Paläo-Libertären« und »Paläo-Konservativen«. Zusammengehalten wurden diese beiden Flügel durch ihre Gegnerschaft zu egalitären politischen Positionen: Soziale und ökonomische Hierarchien seien das Resultat natürlicher und unveränderlicher Unterschiede zwischen den Menschen. Rothbard überzeugte beispielsweise die These eines Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Ethnizität, der dafür Sorge trage, dass es bestimmten ethnischen Minderheiten sozioökonomisch schlechter ging. Diese Denkfiguren waren rassistisch – und sie waren auch eine Konsequenz libertärer Vorstellungen, in denen der politische Hauptgegner im demokratischen Nationalstaat liegt. Nach libertärer Vorstellung würden in einer von freien Marktkräften gestalteten Welt an die Stelle der verhassten Staaten viele kleinere politisch-administrative Gebietseinheiten treten, die kulturelle und ethnische Gemeinsamkeiten widerspiegeln. Demokratische Entscheidungen, Plebiszite, würden über den Marktmechanismus abgebildet.

Quinn Slobodian
Von Lenin gelernt
In seinem Pamphlet identifizierte der libertäre Intellektuelle einen neuen strategischen Ansatzpunkt für die sogenannte Paläo-Koalition, indem er Lenin folgte. Vom russischen Kommunisten entlehnte er nicht nur dessen Revolutionshoffnungen, sondern war wie dieser bereit dazu, aus vergangenem Scheitern zu lernen und seine Analyse entsprechend anzupassen.
So beklagte der populistische Vordenker die Zahnlosigkeit seiner Mitstreiter, die sich viel zu lange auf die Eliten kapriziert hätten und versuchten, durch intellektuelle Vorfeldarbeit in Parteien und Think-Tanks zu politischem Einfluss zu gelangen. Diese auf ein anderes libertäres Aushängeschild, Friedrich August von Hayek, zurückgehende Tradition sei fruchtlos. Für den politischen Erfolg sei es vielmehr nötig, die Massen in den Blick zu nehmen. Hierfür musste die Paläo-Koalition die ebenso widerspenstigen wie von den Eliten belächelten deklassierten Teile der US-amerikanischen Arbeiterklasse – die »Rednecks« – erreichen. Dies stand im Zentrum der Strategie.
Für diesen »Outreach to the Rednecks« entwarf Rothbard die Vision eines gegen die Eliten und die Trägheit zentristischer Politik gerichteten, mitreißenden, spannenden und ideologiegetriebenen Rechtspopulismus. Ein Vorbild für diese Haltung existierte bereits: Es war der umstrittene US-Senator Joseph McCarthy. Rothbard erkannte, dass es McCarthy durch die Beschuldigung von Prominenten als Kommunistinnen und Kommunisten während der Fünfzigerjahre gelungen war, Politik und Entertainment zusammenzuführen und eine Dynamik zu entfesseln, die weite Teile der Rechten ergriffen hatte.
Der Verweis auf McCarthy war kein Zufall, sondern zeigte, dass Rothbard alles andere als eine rechtspopulistische Graswurzelbewegung vorschwebte. Im Gegenteil: Um Einfluss zu erlangen, brauche die Paläo-Bewegung einen Präsidentschaftskandidaten, »hinter dem sich alle Flügel der Anti-Establishment-Rechten versammeln können«. Der Grund hierfür lag in der Kraft der Medien, die Rothbard als zentrales Mittel auf dem Weg zur Macht betrachtete. Eines war elementar für diese Strategie: Die Eliten, die nach libertärer Vorstellung in einem Konglomerat aus Staat und Medien verflochten waren, mussten umgangen werden, um sich direkt den Massen zuzuwenden und diese »aufzupeitschen«.
Anfänge der »Paläos« in Deutschland
Die Vision des 1995 verstorbenen Rothbard wurde in den vergangenen Jahren in den präsidialen Regierungssystemen auf den amerikanischen Kontinenten gleich mehrfach umgesetzt. Getragen von den Massen, die über die sozialen Medien direkter erreicht werden konnten als jemals zuvor, gelangen Politikern wie Donald Trump in den USA, Jair Bolsonaro in Brasilien, Javier Milei in Argentinien oder Nayib Bukele in El Salvador allesamt als Anti-Establishment-Kandidaten steile Aufstiege ins höchste Staatsamt. Dass es jeweils die Präsidentenposten waren, die mithilfe der rechtspopulistischen Strategie erobert wurden, war ebenfalls kein Zufall, sondern folgte einem Plan: Nur die gebündelte massenmediale Aufmerksamkeit und die damit einhergehende affektive Aufladung ließ ihn funktionieren.
Tatsächlich schlugen Rothbards ideologische Position, seine Ideen und die Inhalte aus seiner Streitschrift seit Anfang der Neunzigerjahre aber auch andernorts Wurzeln, nicht zuletzt in Deutschland. In den Sozialwissenschaften registriert man den zunehmenden Einfluss rechtslibertärer Ideen seit einigen Jahren, so etwa Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey in ihrem 2022 erschienenen Buch Gekränkte Freiheit, das das Umfeld der sogenannten Querdenken-Bewegung beleuchtet. Aufgegriffen wurden sie aber bereits am Ende der Neunzigerjahre, als sich die heutige Neue Rechte formierte.
Nach Deutschland kamen die »Paläos« 1998 mit der Publikation der ersten Ausgabe der Zeitschrift Eigentümlich Frei, in der Bagus im Oktober 2023 Javier Milei pries. Der Chefredakteur des Magazins, André F. Lichtschlag, platzierte das Magazin in der anarcho-kapitalistischen Tradition Rothbards; ein Jahr später wurden dessen beide zentrale Texte zum ersten Mal auf Deutsch übersetzt. Der Rheinländer Lichtschlag brach zu dieser Zeit endgültig mit der FDP und entwickelte sich zum libertären Publizisten. 2014 und 2015 gab er zwei kontroverse Bücher Akif Pirinçcis heraus, in denen der Autor gegen den vermeintlich zu großen politischen Einfluss von Frauen, Homosexuellen und Migranten agitierte.
Eigentümlich Frei wartete 1998 zum Zeitgeist passend mit einem jungen Layout auf, richtete sich aber an unterschiedliche libertäre Generationen. Unter den Autoren und Beratern des Magazins fanden sich die Wirtschaftsintellektuellen Gerard Radnitzky, Hardy Bouillon, Detmar Doering, Roland Baader, Gerd Habermann und Erich Weede. Im selben Jahr sollten sie die Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft in Berlin gründen. Spätestens seit der Gründung der AfD steht diese Stiftung immer wieder in der Kritik, sich angesichts von Mitgliedern wie Beatrix von Storch, Peter Boehringer oder Alice Weidel, die 2021 aus der Gesellschaft austrat, nicht ausreichend von der Rechten zu distanzieren.
Weniger Demokratie wagen
Fest in der anarcho-kapitalistischen Tradition verankert, attackierte das Magazin die Demokratie. In einer der ersten Ausgaben wurde die Demokratie als eine »Pseudoreligion« mit »selbstzerstörerischen« Zügen dargestellt, die am »Gift der Umverteilung« leide. Lichtschlag schrieb stolz, dass die Einstellungen der Libertären zur Demokratie »skeptisch bis feindlich« seien, Demokratie sei »das System des lynchenden Mobs«. In einer Kolumne für DIE WELT schlug er 2006 vor, Sozialhilfeempfängern das Wahlrecht zu nehmen und zitierte Hayek zu seiner Verteidigung. Der Ökonom hatte 1960 geschrieben, dass den Idealen der Demokratie besser Genüge getan werde, wenn alle Staatsbediensteten und Wohlfahrtsempfänger von Wahlen ausgeschlossen würden. »Heute ist«, schrieb Lichtschlag mit dem berühmten Zitat Willy Brandts und Hayeks populärstem Buchtitel spielend, »’Weniger Demokratie wagen!‘ der letzte Ausweg vor dem sicheren Gang in den Totalitarismus.«

David Bebnowski
Parallel zu dieser selbstbewussten Aneignung der »paläo-libertären« Tradition formierte sich ein zweiter, »nationalkonservativer« Teil der Neuen Rechten in Deutschland. Das bekannte Flaggschiff dieser Bewegung ist das Institut für Staatspolitik (IfS), das 2000 von Karlheinz Weißman gegründet und mit dem Magazin Sezession und dem Hausverlag Antaios von Götz Kubitschek geleitet wurde. Im Mai 2024 überführte das unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende IfS seine Strukturen in unterschiedliche Firmen und entging damit einem möglichen Verbot. Auf dem ersten Treffen des IfS ertasteten die beiden Flügel Gemeinsamkeiten, es sprach der Eigentümlich-Frei-Autor Roland Baader neben Alain de Benoist, dem Vordenker des neurechten Konzepts des »Ethnopluralismus«.
In der Sezession wiederholte Lichtschlag 2003 gar Rothbards »Pitch« für die »Paläo-Koalition« und beschwor eine »libertär-konservative« Allianz gegen eine »Staatsökosozifemiantifaschodoktrin«. Als Brücke zwischen beiden Lagern schlug er Hans-Hermann Hoppe, einen deutschstämmigen Veteranen der US-amerikanischen »Paläos«, vor. Dessen Buch Demokratie – Der Gott, der keiner ist war gerade in deutscher Übersetzung erschienen. Die »Nationalkonservativen« öffneten sich: Sezession druckte einen Auszug aus Hoppes Buch und er selbst schrieb für das andere publizistische Hauptorgan der Neuen Rechten, die Junge Freiheit.
Schon 1998 hatte Hoppe seine Doktrin eines »closed-borders libertarianism« entworfen und festgehalten, dass es in einem anarcho-kapitalistischen System keine freie Migration ohne Zustimmung von Eigentumsbesitzern (property owners) geben würde. Den Staat selbst beschrieb er als »Geldfälscher«. In einem Interview in Eigentümlich Freierklärte Hoppe, dass die Immigration einer der Gründe sei, warum unsere sozialen Demokratien genauso enden und zerbrechen würden »wie die vergangenen roten und braunen Volksdemokratien«. Hoppe begriff sein Buch Demokratie als einen Versuch für den Start einer »konservativ-libertären Gegenbewegung« gegen »die pubertärenmultikultiantiautoritärenjederkannmachenwaserwillundich-respektierekeineAutorität-Libertären«. Es sei eine »Kampfschrift«, so Hoppe, »für das Privateigentum und insbesondere das im Privateigentum begründete Recht auf Ausschluss, Exklusivität, Diskriminierung und Verbannung.«
Die Entdeckung des Internets
Und: Hoppe erkannte im Internet ein massenmediales Vehikel, das Rothbard zehn Jahre zuvor noch nicht erahnen konnte. Über die Logik eines vernetzten Avantgardismus erklärte der Ökonom, dass es in einer ignoranten Gesellschaft wichtig sei, online zu sein. In der Eigentümlich Frei äußerte er die Überzeugung, dass die Massen immer und überall träge und unfähig dazu seien, eigene Gedanken zu entwickeln. »Um revolutionäre Veränderungen zu bewirken, braucht man – zunächst – nur eine kleine Zahl unangepasster Selbst- und Querdenker und -macher. Und die gibt es fast immer und überall. Und gewiss in Deutschland. Wenn man es dann versteht, diese zu einer ideologischen Bewegung zu verschmelzen und motivieren, dann ist alles möglich. Ganz besonders im Internetzeitalter.«
Es dauerte einige Jahre, bis sich diese Visionen auch in Deutschland während des politischen Fallouts der Finanzkrise durchsetzten. Als die Staatsschuldenkrise den Euro in Schieflage brachte und in Deutschland Ängste vor einer Vergemeinschaftung der Staatsschulden südeuropäischer Länder entstehen ließ, schlug die Stunde des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler. Der Ostwestfale gerierte sich als klassischer Liberaler – und wurde zum Wegbereiter libertärer Ideen. Schon seit 2008 gehörte er mit regelmäßigen Beiträgen zu den produktivsten Autoren von Eigentümlich Frei. In der Zeitschrift unterhielt er bald die Kolumne Aus dem Bundestag, deren Name seinen Wert für die »Paläo-Allianz« unterstrich.
Schäffler, der auch in der Hayek-Gesellschaft aktiv war, wurde ab 2010 in Medien und von Kollegen als »Eurorebell« betitelt, als er den Liberalen Aufbruch als eurokritische Interessengruppe in der FDP gründete. In der Schuldenkrise trieb er seine Partei mit dem von ihm initiierten Referendum über die Zustimmung zu den Bankenrettungsschirmen regelrecht vor sich her. Nachwahlbefragungen zeigten, dass viele ehemalige Wählerinnen und Wähler der FDP 2013 eine neue Repräsentation in der neu gegründeten AfD fanden. Damalige Beobachter erinnern sich gut an den aufbrandenden Jubel auf der Wahlparty der AfD, als das Ausscheiden der Freien Demokraten aus dem Bundestag verkündet wurde.
Die damalige AfD-Bundestagskandidatin Beatrix von Storch ist ebenfalls Autorin von Eigentümlich Frei. Während der Abstimmung über die Rettungsschirme im Jahr 2011 unterstützte sie Schäfflers Kurs und war sogar in die FDP eingetreten. Nach der gescheiterten Abstimmung prognostizierte von Storch, der »Schäffler-Flügel wird weiter wachsen«. Von allen prominenten AfD-Politikerinnen entsprach die rechte Netzwerkerin mit dem Mix aus Marktradikalität, christlichem Konservatismus und rassistischen Provokationen am ehesten dem Ideal des »paläo-libertären« Populismus. 2011 war sie allerdings nur wenigen Leserinnen ein Begriff. Noch weniger wussten von der Zivilen Koalition, in deren Namen sie zur Unterstützung Schäfflers aufgerufen hatte. Die durch den Ehemann der späteren AfD-Politikerin geführte Organisation erkannte den politischen Wert des Internets früher als andere. Potenziell mobilisierungsfähige Unterstützer erreichte die Koalition über diverse Kampagnenprojekte, Petitionsplattformen und Internetpräsenzen wie abgeordneten-check.de oder das Newsportal Freiewelt.net. Dass die AfD von Anfang an zur führenden Kraft in den sozialen Medien wurde, dürfte nicht zuletzt auch damit zu erklären sein.
Weltweite Erfolge
Eine Rolle bei der Popularisierung dieser Vorstellungen gespielt haben dürfte aber auch das Ludwig von Mises Institut, das 2012 nach Deutschland kam. Gegründet worden war der Think Tank ursprünglich 1982 vom »paläo-libertären« Publizisten Llewellyn Rockwell. Bald schloss sich Murray Rothbard dem Mises Institut an und bildete ein produktives Gespann mit Rockwell. Der von beiden Aktivisten seit 1990 herausgegebene Newsletter Rothbard Rockwell Report (RRR) wurde zur zentralen publizistischen Instanz des »Paläo-Libertarismus«: Hier erschien 1992 auch Rothbards strategischer Text Right-wing Populism. In Deutschland gehörten seit 2012 alte Bekannte aus dem Einflussbereich der Hayek-Gesellschaft wie Gerd Habermann und Roland Baader zum Umfeld des Instituts. Unter dessen Fellows fanden sich Hans-Hermann Hoppe und auch der um eine Generation jüngere Philipp Bagus.
Über zehn Jahre später konnte die Paläo-Bewegung, die Rothbard in seinem Text beschrieben hatte, weltweit große Erfolge feiern. Javier Milei ist nur ein Beispiel für die global erstarkte marktautoritäre Rechte. Weitere Beispiele liefern das christlich-fundamentale und neoliberale Brasilien unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro oder das zum Cryptowährungsparadies transformierte El Salvador, in dem mehr als ein Prozent der Bevölkerung hinter Gittern sitzt und dessen Präsident Nayib Bukele am liebsten über TikTok und X kommuniziert. Nicht zuletzt gilt all dies auch für die USA Donald Trumps. Für den möglichen Fall einer zweiten Trump-Präsidentschaft liegen bereits rechtspopulistische Masterpläne ganz nach dem Geschmack der »Paläo-Koalition« auf dem Tisch. Das 900 Seiten starke Mandate for Leadershipder konservativen Heritage Foundation, das als Project 2025 bekannt wurde, kombiniert massive Steuersenkungen und Massenentlassungen im öffentlichen Dienst mit radikalen Einschränkungen in der Abtreibungsgesetzgebung und in Initiativen für mehr Diversität. Der Exekutive soll mehr Macht übertragen und der Grenzschutz noch stärker militarisiert werden.
Dass das Project 2025 zuletzt von Donald Trumps Wahlkampfteam fallen gelassen wurde, heißt keinesfalls, dass die radikalen Ideen des Projekts aus dem Orbit der Republikaner verschwunden wären. Dies zeigen unter anderem die Ernennung von Trumps erzkatholischen Running Mate J. D. Vance oder der von Trump zuletzt im TV-Duell mit Kamala Harris offen zur Schau gestellte Rassismus gegenüber Immigranten. Angesichts all dieser erfolgten und drohenden Rechtsverschiebungen dürfte damit zu rechnen sein, dass auch die deutschen »Paläos« in der AfD und ihrem intellektuellen Umfeld weiteren Auftrieb erhalten. Rothbard würde sich hierüber freuen.