Der Zweck heiligt den Markt: Adam Smith in Deutschland

Auch in Deutschland verbreitete sich das Smithsche System unter dem Eindruck der Französischen Revolution und der englischen Industrialisierung. Doch es stieß dort auf eine eigene Form der ökonomischen Theoriebildung, die Etatismus und Wirtschaftsliberalismus zu versöhnen versuchte, wie Lennart Riebe anhand des Gelehrten Georg Sartorius zeigt.

Als Adam Smith 1776 seine Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations publizierte, blieb die Reaktion in den deutschen Staaten des Alten Reichs zunächst ziemlich verhalten. Obwohl eine Übersetzung nicht lange auf sich warten ließ und in Teilen bereits im selben Jahr von Johann Friedrich Schiller, einem Cousin des Dichters, besorgt wurde, zeigte das deutsche Gelehrtenpublikum vorerst kein übermäßiges Interesse am Werk des Schotten. Doch das blieb nicht lange so. 

Schon ein Vierteljahrhundert später, an der Schwelle zum 19. Jahrhundert, erfolgte eine umfassende deutschsprachige Rezeptions- und Interpretationswelle von Smiths Theorie. An ihr lässt sich nicht nur zeigen, wie politische und ökonomische Ideen im Zuge ihrer Verbreitung, je nach geografischem und gesellschaftlichem Kontext, angepasst und umgeformt werden. Dieser als ‚Smithianismus‘ bezeichnete Diskurs stellt darüber hinaus die Geburtsszene der deutschen Nationalökonomie dar, deren disziplinäres Erbe bis weit ins 20. Jahrhundert hineinreicht. Das Werk des heutzutage nahezu vergessenen Göttinger Historikers und Staatswissenschaftlers Georg Sartorius (1765-1828), ‚Smithianer‘ der ersten Stunde, gewährt einen exemplarischen Einblick in die Rezeptionsbedingungen und -praktiken dieser frühen deutschen Lesart von Adam Smith. 

(K)ein Ladenhüter

Auf das Erscheinen von Schillers Übersetzung folgten zunächst mehrere Rezensionen in den Journalen und Zeitschriften der aufgeklärten Öffentlichkeit. Die erste Rezension, verfasst 1777 vom Göttinger Philosophen Johann Georg Feder, fiel zwar grundsätzlich positiv aus, bemängelte jedoch auch die ausschweifende Erzählweise und zahlreichen Wiederholungen in Smiths Buch. In theoretischer Hinsicht verortete Feder, wie die meisten seiner Zeitgenossen, den Autor im Dunstkreis der französischen Physiokraten und kritisierte, dass die wirtschaftspolitischen Schlüsse, die er aus seiner Theorie zog, „nur bey einer gewissen Stufe der Industrie, des Reichthums und der Aufklärung“ Gültigkeit beanspruchen könnten (Feder 1777: 219f.). Mit diesem Hinweis auf die unterschiedlichen nationalen Entwicklungsniveaus war bereits im Kern ein zentrales Motiv der Kritik angesprochen, welches die deutsche Rezeption des kommenden Jahrhunderts nachhaltig prägen sollte. Doch in den folgenden fünfzehn Jahren blieb es zunächst noch ruhig um Smiths Ideen.   

Lennart Riebe

Lennart Riebe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für ‚Politikwissenschaft, insbesondere Geschichte und Theorie politischen Denkens‘ an der Universität Hamburg. Ein Schwerpunkt seiner Forschung bildet die Entstehung und Entwicklung der Politischen Ökonomie im deutschen Kontext des 18. und 19. Jahrhunderts.

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution und angesichts der fortschreitenden Industrialisierung Großbritanniens veränderte sich jedoch das gesellschaftliche und intellektuelle Klima in den deutschen Staaten. Die eigene politische und ökonomische Rückständigkeit trat immer offener zutage, Rufe nach umfassenden Reformen der immer noch ständisch geprägten Wirtschafts- und Sozialordnung wurden lauter. 

Unter diesen veränderten Bedingungen setzte ab den 1790er-Jahren eine breitere Auseinandersetzung mit Smiths Werk an den deutschen Universitäten ein, wodurch marktliberale Ideen nun zunehmend in die Köpfe künftiger Staats- und Verwaltungsbeamter Einzug hielten und eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der großen staatlichen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts geschaffen wurde. Dieser leicht verspätete Rezeptionsschub beschränkte sich dabei nahezu ausschließlich auf den Wealth of Nations, der nun auch in neuer Übersetzung erschien. Im Gegensatz etwa zum benachbarten Frankreich wurde Smiths Erstlingswerk, die Theory of Moral Sentiments, trotz zweier Übersetzungen 1770 und 1791 für lange Zeit gar nicht zur Kenntnis genommen, was nicht nur die Interpretation des Wealth of Nations entscheidend beeinflusste, sondern auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Entdeckung des ‚Adam-Smith-Problems‘ führte. Demzufolge bestand ein eklatanter Widerspruch zwischen dem vermeintlich altruistischen Menschenbild in Smiths Moralphilosophie und dem egoistischen homo oeconomicus, der den Ausgangspunkt seiner wirtschaftstheoretischen Überlegungen zu bilden schien. Erst die ‚jüngere‘ Smith-Forschung seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat durch den Nachweis eines inneren Zusammenhangs beider Werke, welcher die umfassende Begründung einer natürlichen und vernunftgemäßen Sozialordnung zum gemeinsamen Fluchtpunkt hat, dieser Fehlinterpretation entgegenarbeitet. 

In der ersten Rezeptionswelle, die durch ihren selektiven Charakter also äußerst folgenreich war, kam insbesondere der Universität Göttingen eine zentrale Stellung zu, bildete sie doch aufgrund der Personalunion zwischen dem König von Hannover und der britischen Krone bereits seit Längerem ein institutionelles Einfallstor für philosophische Ideen und intellektuelle Strömungen aus Großbritannien. Georg Sartorius, der in Göttingen u.a. bei Feder studiert hatte, dort ab 1792 selbst Vorlesungen über Politik und Staatswirtschaft hielt und 1802 zum ordentlichen Professor ernannt wurde, stand zu Beginn seiner akademischen Laufbahn allerdings zunächst den französischen Physiokraten nahe. Angesichts des zunehmend blutigen Verlaufs der Französischen Revolution, mit der er anfänglich noch sympathisierte, wandte sich Sartorius jedoch von der physiokratischen Lehre ab und kritisierte sie stattdessen für ihre starren rationalistischen Grundsätze, die den Weg zum Despotismus und Terror mit geebnet hätten.  

In dieser Situation stieß Sartorius auf Smith, dessen theoretische Einsichten er von nun an bevorzugt in seinen Vorlesungen behandelte. 1793 verfasste Sartorius zunächst eine Rezension, in der er den Wealth of Nations geradezu hymnisch als „unsterbliche[s] Werk“ lobte, allerdings auch auf die Klagen des Verlags über zu geringe Absatzzahlen einging (Sartorius 1793a: 1660). Der schleppend anlaufende Verkauf beweise nur die radikale Neuartigkeit und Tiefe von Smiths Gedanken, die eben Zeit brauchten, um von den rückständigen deutschen Kameralisten wirklich verstanden zu werden. Siegesgewiss schloss Sartorius am Ende seiner Besprechung: „Smith, das versichern wir den Buchhändlern, bleibt kein Ladenhüter, denn die Vernunft behält am Ende ihr Recht.“ (Ebd.: 1662)  

Staat? Welcher Staat?

Um der schnelleren Verbreitung von Smiths bahnbrechenden Einsichten etwas nachzuhelfen und deren häufig bemängelte Unübersichtlichkeit zu beheben, veröffentlichte Sartorius 1796 eine eigene inhaltliche Zusammenfassung des Werks. Das Handbuch der Staatswirthschaft zum Gebrauche bey akademischen Vorlesungen war eine der ersten deutschsprachigen Publikationen zu Smith überhaupt und beinhaltete eine stark gekürzte und neu arrangierte Kompilation des Wealth of Nations. Viele der historischen Ausführungen fielen dabei der von Sartorius angestrebten ‚Systematisierung‘ zum Opfer, sodass letztendlich ein stark vereinfachtes und auf wenige theoretische Prinzipien hin zusammengestutztes Lehrbuch übrig blieb.

Dass Sartorius sich mit seinem Handbuch keineswegs nur auf eine Inhaltsangabe von Smiths Werk beschränkte, sondern durch seine Interpretation und Zusammenstellung auch eine ganz eigene theoretische und politische Agenda verfolgte, wird besonders im zweiten Teil des Werks deutlich, der Buch III bis V des Wealth of Nations behandelt und in kameralistischer Manier mit ‚Staatswirthschaft‘ überschrieben ist. Diese solle Regeln für die Regierung formulieren, um ihre „Bürger in den Stand zu setzen, sich ein hinlängliches Einkommen zu verschaffen“ (Sartorius 1796: 91). Ganz im Sinne Smiths postuliert Sartorius hierfür zunächst als allgemeine Richtschnur, dass die Freiheit zur Verfolgung des eigenen Interesses auf dem Markt, ohne Einmischung oder Beschränkung durch den Staat, garantiert werden müsse. Denn wenn jeder „seinem eigenen Vortheil nachjagt, befördert er den Nationalreichthum“ (ebd.: 93). Anschließend nimmt Sartorius allerdings eine bedeutsame theoretische Verschiebung gegenüber dem Original des Schotten vor: Gerechtfertigt seien staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben der Bürger, wie etwa Steuern oder Abgaben, nämlich dann, wenn sie Einrichtungen und Maßnahmen finanzierten, die die Sicherheit ihrer „angebohrenen und rechtmäßig erworbenen Rechte“ herstellen und gewährleisten (ebd.: 152). Diese Sicherheit begründet für Sartorius den „Zweck des Staats“, der sich aus dem „Eingehen der Staatsverbindung“ ergebe und von dem man daher annehmen müsse, dass jeder Bürger mit ihm übereinstimmt (ebd.: 152, 93). Auch das Ziel einer Maximierung des nationalen Wohlstands sei diesem „höchsten Staatsgesetz, der Sicherheit aller Rechte der Einzelen [sic!]“, letzten Endes untergeordnet (ebd.: 94).  

Mit dem Begriff des Staatszwecks führt Sartorius ein übergeordnetes und einheitliches Prinzip zur Begründung staatlichen Handelns ein, das bei Smith selbst gar nicht vorkommt, sondern der älteren deutschen Staats- und Naturrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts entstammte und von dort in die fürstenstaatlichen Kameral- und Verwaltungswissenschaften einging. Aus dem Verweis auf eine allgemeine ‚Glückseligkeit‘ oder ‚Sicherheit‘ als abstraktem Zweck des Staates wurde in dieser Strömung politischen Denkens ein umfassender Gestaltungsanspruch der absolutistischen ‚Staatsmaschine‘ für nahezu jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens abgeleitet. Indem er die individuelle Freiheit ins Zentrum seiner Staatswirtschaft stellt, wendet sich Sartorius zwar der Sache nach gegen diese kameralistische ‚Vielregiererei‘. Doch bildet der Staat auch bei ihm den unhintergehbaren Aus- und Durchgangspunkt sozialer und ökonomischer Ordnung. Sein Handbuch lässt sich damit als einer der ersten Versuche verstehen, Smiths marktliberales Denken trotz seiner ursprünglichen Einbettung in einen übergreifenden sozial- und moralphilosophischen Zusammenhang für die deutschen Staatswissenschaften anschlussfähig zu machen.  

Vom Glück und Unglück des freien Markts

Dieses Projekt verfolgte Sartorius keineswegs nur aus blindem Reformeifer, um eine ökonomische Entwicklung nach britischem Vorbild zu legitimieren und voranzutreiben, sondern gleichfalls mit einem scharfen Auge für die verheerenden sozialen Auswirkungen, die sich mit der Entfaltung der Marktwirtschaft in Großbritannien bereits abzeichneten. Im Zuge dessen wandelte sich nicht nur seine Position gegenüber Smith, sondern auch seine Publikationspraxis, was sich an zwei Schriften von 1806 zeigt: Während Sartorius in den Elementen des National-Reichthums zunächst noch einmal seine handbuchartige Zusammenfassung von Smiths Lehre aktualisierte, den Begriff des Staatszwecks nun jedoch vollständig entfernte, werden seine eigenen, zunehmend kritischeren Überlegungen in den Abhandlungen, die Elemente des National-Reichthums und die Staatswirthschaft betreffend gesondert veröffentlicht. 

Neben einer Kritik an Smiths Arbeitswertlehre setzt sich Sartorius dabei vor allem mit der Frage auseinander, unter welchen Umständen das freie Spiel der Kräfte des Markts nicht mehr, wie Smith es mit seiner Metapher der ‚unsichtbaren Hand’ in mancherlei Hinsicht nahegelegt hatte, dem Gemeinwohl förderlich sei, sondern vielmehr ein Eingreifen des Staates erforderlich mache. Denn auch wenn die segensreichen Auswirkungen von Eigentumsfreiheit und Konkurrenz im Allgemeinen offenkundig seien, so führe deren schrankenlose Realisierung doch häufig dazu, dass Einzelne „durch Glück, Zufall, Geschicklichkeit, Klugheit und List sich so gut als in den Besitz von allem setzen, alle übrige zu Sclaven von sich machen, und alle Persönlichkeit ihnen rauben können“ (Sartorius 1806: 203). Damit sei die Möglichkeit aller anderen, ihr unveräußerliches Recht zum freien Erwerb und Gebrauch ihres Eigentums auszuüben, wesentlich eingeschränkt, woraus sich für Sartorius die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs ergibt, um die Rahmenbedingungen „möglichst freyer Concurrenz“ (wieder)herzustellen (ebd.: 205).  

Tatsächlich habe die fortschreitende Einführung freier Lohnarbeit bereits zum Heranwachsen einer „großen Masse der Armen“ geführt, welche den „gänzlichen Umsturz des Staats bewirken“ könne, sollte sie jemals zum Bewusstsein ihrer zahlenmäßigen Stärke gelangen (ebd.: 279). Um diese drohende Gefahr für die innere Sicherheit zu bannen, sei die Einrichtung eines umfangreichen staatlichen Armenwesens unerlässlich. Nur wenn auf diese Weise die untere Bevölkerungsschicht vor dem Hungertod bewahrt werde, sind für Sartorius die nötigen Bedingungen gesellschaftlicher Stabilität gegeben, „unter welche[n] die Wohlhabenderen ihr Eigenthum ruhig besitzen können“ (ebd.: 487). Gegen den gnadenlosen Mechanismus von Angebot und Nachfrage, an dem mitunter „ganze Classen, Städte und Länder zu Grund gehen“, helfe dagegen keinesfalls die abermalige Beschränkung der Arbeits- und Gewerbefreiheit, etwa durch eine Rückkehr zu traditionellen Regulierungen oder zünftischen Privilegien (ebd.: 226). Schließlich verhindere man dadurch für die bedauernswerten Verlierer des ökonomischen Konkurrenzkampfes lediglich den „leichte[n] Uebergang von dem einen Geschäfte zum andern, wenn jenes nicht mehr die üblichen Gewinne abwirft“ (ebd.: 492). 

Letzten Endes bilden also für Sartorius Privatinteresse, Konkurrenz und Wettbewerb die mächtigsten und unhintergehbaren Hebel zur Beförderung des nationalen Reichtums, sodass die Regierung nur durch indirekte Eingriffe und kurzfristige „Palliative“ den selbstzerstörerischen Tendenzen des freien Marktes entgegenwirken dürfe (ebd.: 232). Einige habe bereits Smith genannt, der das Eingriffsrecht des Staats keineswegs bestreite und dessen Werk daher zahlreiche „Ausnahmen von der Regel“ enthalte (ebd.: 207). So sei selbst für Smith etwa die Etablierung eines vollständig freien Handels zwischen den Staaten Europas gleichbedeutend mit der „Einführung eines Utopiens“ (ebd.: 235). Damit zeichnet Sartorius von Smith keineswegs das Bild eines realitätsfremden Markt- und Freihandelsideologen, wie es ein Vierteljahrhundert später unter anderem durch Friedrich List verbreitet wird und das noch bis heute als beliebter theoriepolitischer Pappkamerad dient, sondern bescheinigt ihm vielmehr einen gewissen Sinn für die Widersprüche und Probleme politischer Praxis. 

Politik und Methode

Welche Mittel der Staat wann ergreifen müsse, um eine ökonomische Entwicklung zu befördern und dabei individuelle Freiheit mit obrigkeitlicher Intervention ins rechte Maß zu setzen, könne Sartorius zufolge jedoch nicht allgemein im Vorhinein bestimmt werden, „da die einzelnen Modificationen, unter welchen die Länder sich, nach ihrer besondern Lage, befinden, so unendlich verschieden sind“ (ebd.: 222). Was Adam Smith etwa mit Blick auf Großbritannien empfehle, das ließe sich keineswegs unmittelbar auf andere Nationen übertragen, denn „[w]as England in dieser Hinsicht ziemt und frommt, das ziemt nicht allen Ländern“ (ebd.: 494).  

Sartorius schließt damit an die eingangs zitierte Kritik seines Lehrers Feder an, dass Smith lediglich die gesellschaftliche Entwicklungsstufe seines eigenen Heimatlandes vor Augen gehabt habe, zieht hieraus jedoch in politischer wie methodischer Hinsicht weitreichendere Konsequenzen. Anstatt, wie etwa die Physiokraten und andere vermeintlich revolutionär gesinnte Geister, rationalistische Systeme ohne Rücksicht auf historische und nationale Besonderheiten gewaltsam in die Realität umzusetzen, sollten die Regierungen besser maßvolle Reformen zur schrittweisen Behebung bestehender Mängel anstreben. Politik, so schreibt Sartorius bereits 1793 im Ankündigungstext seiner Vorlesung, sei eine „Erfahrungs-Wissenschaf[t]“, die zwar auf vernunftgemäßen Idealen beruhe, aber immer auch mit den „Leidenschaften der Menschen, und tausend nicht zuvor berechnete[n] Umstände[n]“ konfrontiert sei (Sartorius 1793b: 14f.). Eine solche Wissenschaft von der Politik müsse daher eine genaue und umfassende Kenntnis des jeweiligen Landes zum Gegenstand haben. 

An diesem konservativ-reformerischen Politikverständnis ist nicht nur die große Sympathie erkennbar, die Sartorius für den prominentesten Kritiker der Französischen Revolution und ‚Stammvater‘ des modernen Konservatismus, Edmund Burke, hegte. Es verdeutlicht auch, dass sein Werk exemplarisch für jene nachholende und staatserhaltende ‚Modernisierung von oben‘ steht, wie sie Anfang des 19. Jahrhunderts von den Regenten der deutschen Anciens Régimes zur Bewahrung ihrer politischen und ökonomischen Machtbasis vollzogen wurde. Durch seinen diskursiven Brückenschlag und seine holistisch-komparative Methodenkritik trug Sartorius darüber hinaus wesentlich zur disziplinären Formierung einer eigenständigen deutschen Nationalökonomie bei, die sich zwar auf die Grundlagen einer modernen Wissenschaft vom Markt stellte, sich in ihrem politischen und methodischen Selbstverständnis jedoch von der ökonomischen Klassik britischer Prägung zunehmend abgrenzte. Der selektive und abwägende Aneignungsprozess, den Sartorius um die Jahrhundertwende gemeinsam mit zahlreichen anderen ‚Smithianern‘ wie Ludwig Heinrich von Jakob, August Ferdinand Lueder oder Julius von Soden beförderte, bildete also in gewisser Weise die Voraussetzung dafür, dass Smiths Werk im Laufe des 19. Jahrhunderts im deutschen Diskurs sowohl zur Chiffre für ein egoistisches Menschenbild verkürzt als auch in seiner vermeintlichen Widersprüchlichkeit als ‚Adam-Smith-Problem‘ wiederentdeckt wurde. 

Literatur

Feder, Johann Georg Heinrich (1777): „Rezension des zweiten Bandes von Adam Smiths ‘Inquiry into the nature and causes of the Wealth of nations’“. In: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, 14. Stück vom 5. April, S. 213-221. 
Sartorius, Georg (1793a): „Rezension zu Adam Smiths ‚Untersuchung der Natur und Ursachen von Nationalreichthümern‘“. In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 166. Stück vom 19. Oktober, S. 1660-1662. 
Sartorius, Georg (1793b): Einladungs-Blätter zu Vorlesungen über die Politik während des Sommers 1793. Göttingen: Barmeiersche Schriften. 
Sartorius, Georg (1796): Handbuch der Staatswirthschaft zum Gebrauche bey akademischen Vorlesungen, nach Adam Smith’s Grundsätzen. Berlin: Johann Friedrich Unger. 
Sartorius, Georg (1806): Abhandlungen, die Elemente des National-Reichthums und die Staatswirthschaft betreffend. Göttingen: Johann Friedrich Römer.