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Die bessere Alternative

Am 04. November ist Zohran Mamdani zum Bürgermeister von New York gewählt worden. Die Gründe für seinen Überraschungserfolg liegen nicht in seiner rhetorischen Schlagfertigkeit oder seiner Social-Media-Kampagne allein. In Zeiten von Donald Trump hat sich Mamdani als die bessere Alternative zum Establishment präsentiert – deshalb hat er gewonnen, kommentiert Otmar Tibes.

Am 1. Januar 2026 wird Zohran Mamdani sein Amt als Bürgermeister von New York antreten. Seine Wahlkampagne hat Begeisterung ausgelöst: rund 50.000 freiwillige Wahlhelfer:innen hat Mamdani mobilisiert. Die Wahlbeteiligung in New York war so hoch wie seit 1969 nicht mehr. Doch dass linke Kampagnen begeistern können, ist nicht neu. Schon oft war die Begeisterung am Anfang hoch und die Enttäuschung am Ende groß. Die Frage ist also, ob Mamdani seine Wahlversprechen einhalten kann oder nicht.

Versprochen hat Mamdani seinen Wähler:innen ein erschwinglicheres Leben. New York soll zu einer Metropole werden, in der Wohnungen bezahlbar sind, es kostenlose Kindertagesstätten gibt und Busse für Fahrgäste kostenfrei sind. Auch soll es kommunale Supermärkte mit günstigen Lebensmitteln geben. Letzteres mag vielleicht eine etwas avantgardistische Idee sein, die erst erprobt werden muss, allerdings ist sie alles andere als revolutionär – sie ist geradezu moderat.

Das betrifft auch Mamdanis Pläne zur Erhöhung der Einkommenssteuer. Für Menschen, die mehr als eine Million Dollar im Jahr verdienen, soll die Steuer um zwei Prozentpunkte angehoben werden. Drohungen von Milliardären, wegen dieser Erhöhung die Stadt zu verlassen, wirkten im Wahlkampf lächerlich – auch, weil Investoren wie Bill Ackman offenbar Millionenbeträge für eine Anti-Mamdani-Kampagne ausgegeben haben, was Mamdani wie folgt kommentierte: »He’s spending more money against me than I would even tax him. Every day it’s like a million dollars. I don’t even want that money!«

Otmar Tibes

Otmar ist Gründer vom Politik & Ökonomie Blog. Als freier Autor publiziert er auch Beiträge im Deutschlandradio Kultur für das Politische Feuilleton sowie für andere Medien wie Jacobin etc.

Red Scare

Mamdani hat sich in wenigen Monaten einen Ruf erarbeitet, der ihn am Ende zum Bürgermeister gemacht hat. Dabei hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass er New York im Interesse der Vielen und nicht im Interesse der Reichen regieren will. Die monatelangen Schmierkampagnen, in denen er dafür angefeindet wurde, dass er sich einen »demokratischen Sozialisten« nennt, konnten seiner wachsenden Popularität nichts anhaben. Im Gegenteil – die Skandalisierung von seinem politischen Standpunkt und seiner muslimischen Identität schien ihm am Ende sogar geholfen zu haben. In seiner Siegesrede erklärte er:

The conventional wisdom would tell you that I am far from the perfect candidate. I am young, despite my best efforts to grow older. I am Muslim. I am a democratic socialist. And most damning of all, I refuse to apologise for any of this.

Allerdings hat das, was in diesem Kontext »Sozialismus« geschimpft wird, gar nichts mit Sozialismus zu tun. Im Gegenteil – Mamdani will das Leben für die meisten Bewohner:innen New Yorks einfach nur erschwinglicher machen. Echter Antikapitalismus sieht anders aus. Das politische Establishment in der Republikanischen und Demokratischen Partei scheint in Verteilungsfragen aber so weit nach rechts gerückt zu sein, dass es selbst kleinste Steuererhöhungen für Einkommensmillionäre mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel gleichgesetzt. Das Niveau in der politischen Debatte ist hier auf einem Tiefpunkt.

Trotz des zu erwartenden Red Scare vermochte Mamdani, die Wahl am Ende für sich zu entscheiden. Er begann bei einem Prozent in den Umfragen und gewann die Wahl schließlich mit 50,4 Prozent der Stimmen. Dabei hat er den Ausdruck »Sozialist« fast schon ein wenig cool gemacht. Das lag auch an seiner lockeren und authentischen Art. In der Öffentlichkeit wirkte Mamdani stets nahbar und sympathisch. In den Fernsehduellen mit Andrew Cuomo, dem Kandidaten des Establishments, konnte Mamdani hingegen kämpferisch und souverän auftreten. Angriffe seines Kontrahenten wusste er geschickt zu kontern. Im verbalen Schlagabtausch schien er überhaupt erst richtig in Fahrt zu kommen — und überzeugte dann mit eloquenter Schlagfertigkeit:

To Mr. Cuomo, I’ve never had to resign in disgrace. I’ve never cut Medicaid, have never stolen hundreds of millions of dollars from the MTA. I have never hounded the thirteen women who credibly accused me of sexual harassment. I have never sued for their gynecological records. And I have never done these things because I am not you, Mr. Cuomo. And furthermore: the name is Mamdani. M-A-M-D-A-N-I. You should learn how to say it, because we gotta get it right.

Regieren ist schwerer als Wahlkämpfen

Und doch beginnt die eigentliche politische Arbeit im Januar 2026 erst. Bei dieser kommt es nicht darauf an, Fernsehduelle zu gewinnen und die Sorgen der Menschen überzeugend anzusprechen. Auch kommt es nicht darauf an, Lösungen in prägnante Slogans zu fassen und eine geschickte Social-Media-Strategie zu fahren. Vielmehr kommt es darauf an, sich im politischen Alltag gegen die Widerstände mächtiger Interessengruppen durchzusetzen und stabile Mehrheiten zu organisieren. Ohne eine Mehrheit im New Yorker Parlament oder der Zustimmung der Gouverneurin Katy Hochul auf Bundesstaatsebene wird Mamdani viele seiner Versprechen nicht umsetzen können.

Zum Beispiel – und das ist zentral – kann Mamdani als Bürgermeister nicht allein über das Budget entscheiden oder die Steuern erhöhen. Auch die Idee, Busse frei zugänglich zu machen und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, setzt eine Zustimmung auf Bundesstaatsebene voraus. Die sogenannte MTA (Metropolitan Transportation Authority), also die zuständige Behörde, ist schließlich eine bundesstaatliche Behörde.

Es ist leider nicht sehr wahrscheinlich, dass Mamdani alle seine Versprechen umsetzen wird. Seine Gegner, sowohl in der eigenen Partei als auch im Weißen Haus, sind mächtig und im Vorteil, wenn es darum geht, sein Pläne zu durchkreuzen. Doch darf man Mamdani auch nicht zu früh abschreiben. Schon einmal verstand er sich durchzusetzen – allen Widrigkeiten zum Trotz. Vielleicht gelingt ihm das Unmögliche noch einmal als Bürgermeister und er setzt die meisten seiner Wahlversprechen doch um. 

Die bessere Alternative

Doch selbst wenn sich am Ende wieder Enttäuschung breit machen sollte, weil Mamdani scheitert, kann und sollte man von ihm lernen. Bei der Bürgermeisterwahl in New York hat er nicht nur im hippen Brooklyn Stimmen gewonnen, sondern auch in der Bronx und in Queens. Diese Teile waren Mamdani besonders wichtig, weil dort die Working und Middle Class zuhause ist. Ebenfalls konnte Mamdani bei vielen Latinos unter 40, die bei der Präsidentschaftswahl noch Trump gewählt haben, Stimmen gewinnen. Wie ist ihm das gelungen? Mamdani hat die Lebenshaltungskosten zu seinem Hauptthema gemacht und sich im Wahlkampf dann durchgängig an dieses ökonomische Thema gehalten. Damit hat er den Diskurs verschoben.

Doch erklärt das noch nicht den Erfolg. Sieht man von seiner starken Kampagne und Persönlichkeit ab und klammert auch das rhetorische Talent von Mamdani ein, so bleibt eine Sache übrig: Mamdani hat sich als die bessere Alternative zum Establishment präsentiert. Heute sitzt die rechte Alternative zum Establishment im Weißen Haus und heißt: Donald Trump. Was kann nun die Alternative zu dieser Alternative sein? Die Antwort liegt nicht in der Mitte, die zum Establishment gehört, sondern links der Mitte. Das hat Mamdani auf eindrucksvolle Weise gezeigt. Und davon kann man lernen.