Elon Musks feindliche Übernahme

Donald Trump hat Elon Musk zum Sonderbeauftragten der US-Regierung ernannt. Aber wie tickt der Tech-Milliardär in Amerikas Machtzentrum? Quinn Slobodian hat in seinem Beitrag über die Grundsätze geschrieben, welche das Handeln und den Aktivismus von Musk anleiten.

Elon Musk ist ein Chamäleon. In einem Augenblick spricht er in sanften Tönen, wie wichtig Neugier und Mitgefühl im Leben sind oder verliert sich in detailreichen Ausführungen über Planetenbahnen und Raketenantrieben. Doch schon im nächsten Moment schürt er mit hetzerischen Posts Hass und Rassismus und prangert zum Beispiel die britische Unterstaatssekretärin als »Vergewaltigungsgenozid-Apologetin« an. Er liebäugelt gerne mit einer Goth-Ästhetik – man denke nur an seine MAGA-Basecap in elbischer Frakturschrift –, doch mangelt es ihm zugleich an dem nötigen Reflexionsvermögen, um ernsthaft über die Nichtigkeit der Existenz nachzudenken. Musk ist zu hyperaktiv, um Trübsal zu blasen, seine Aufmerksamkeit jagt dem Trommelfeuer seines Social-Media-Feeds nach. Im vergangenen Herbst drehte sich bei ihm alles um MAGA und Mar-a-Lago, Donald Trumps Anwesen in Palm Beach (Florida). Im Winter machte er die politische Landschaft Großbritanniens und Deutschlands unsicher. Was hat es zu bedeuten, wenn der reichste Mann der Welt zugleich ihr prominentester Troll wird?

»Nur die AfD kann Deutschland retten«, verkündete Musk drei Tage vor Weihnachten auf X, und teilte einen Post, demzufolge die Deutschen von Migranten getötet und vergewaltigt werden. Seit Neujahr überflutet er seine über 200 Millionen Follower mit Dutzenden Bildern, Videoclips und mahnenden Botschaften über den Skandal im nordenglischen Rotherham, bei dem eine Grooming-Bande systematisch Kinder und Jugendliche missbraucht hat. Diese öffentliche Tragödie ist nicht nur seit langem Gegenstand von Nachforschungen, sondern ist aufgrund des hohen Anteils nicht-weißer Männer unter den Tätern auch ein Dauerbrenner der extremen Rechten. Der Attentäter im neuseeländischen Christchurch hat 2019 nachweislich den Ortsnamen des Schauplatzes nochmal überprüft, bevor er die Worte »for Rotherham« auf eine der Patronen schrieb, mit denen er 51 Personen in einer Moschee töten sollte. 

Zu Musks bevorzugter Zielscheibe ist der britische Premierminister Keir Starmer geworden, obwohl dieser sich persönlich für die strafrechtliche Verfolgung der begangenen Verbrechen einsetzt. »Starmer muss weg«, postete Musk am 5. Januar 2025. Einige Tage später deckte die Financial Times Musks aktive Bestrebungen auf, Starmer noch während dessen Amtszeit zu Fall zu bringen. Dass ein enger Berater des neuen US-Präsidenten Pläne schmiedet, das Staatsoberhaupt eines der engsten Verbündeten Amerikas zu stürzen, ist völlig unbekanntes Terrain. Durch die Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2025 rückt Musk mitsamt seinen nächtlichen Netzkapriolen noch näher an die Hebel der Macht. Damit wird es gewissermaßen zu einer Bürgerpflicht, die Prinzipien herauszuarbeiten, denen seine erratischen Spielereien gehorchen. Wenn wir uns nicht von dem augenscheinlichen Chaos seines Shitpostings blenden lassen, können wir fünf Grundsätze ausmachen, die sein Handeln anzuleiten scheinen. 

Der erste Grundsatz besagt, dass der Staat dafür da sei, den sogenannten Machern zu dienen. Musk hat keinerlei Bedenken, mit dem Staat zusammenzuarbeiten: Er war nie ein dogmatischer Libertärer. In seinen Augen ist der Staat insoweit ein willkommener Partner, als er Ingenieure unterstützt, Lösungen zu finden.  

Quinn Slobodian

Quinn Slobodian ist Historiker und Associate Professor am Department of History des Wellesley College. Zuletzt erschien von ihm "Kapitalismus ohne Demokratie – Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen" (Suhrkamp, 2023). Bild: Toter Alter Mann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der zweite Grundsatz besagt, dass es für alle komplizierten Probleme eine technische Lösung gibt. Egal, ob es um den Klimawandel oder soziale Ungleichheit geht: Öffentliche Beratungsprozesse sind grundsätzlich überflüssig. Für alle Belange lässt sich Abhilfe am Reißbrett schaffen. Diese beiden Überzeugungen teilt Musk mit seinen Geistesgenossen aus dem Silicon Valley. Das entsprechende Weltbild lässt sich mit dem Technikkritiker Evgeny Morozov als »Solutionismus« bezeichnen.

Musk tritt damit in die Fußstapfen von Peter Thiel. Wie dieser war er Teil der »PayPal-Mafia«, einer Gruppe ehemaliger Angestellter des Zahlungsdienstleisters, die in den 2000er Jahren wichtige Grundsteine für die Tech-Landschaft der Gegenwart gelegt haben. Thiel war es, der erstmals den Wert von »Trump-Trade« erkannte, indem er dessen Kampagne bei den Wahlen 2016 unterstützte und ihn während der Präsidentschaftsübernahme beriet. Anschließend stellte Thiel 2017 JD Vance in seiner Venture-Capital-Firma Mithril ein und unterstützte dessen erfolgreiche Kandidatur bei den US-Senatswahlen 2022 mit 15 Millionen US-Dollar, was Vance den Weg in das Amt des Vizepräsidenten ebnete. 

Musks Radikalisierung

Die vielen selbsterklärten Libertären aus dieser Kohorte hatten stets ihren Unwillen bekundet, sich von Aufträgen der öffentlichen Hand abhängig zu machen. Diese Behauptungen sind inzwischen Schnee von gestern oder haben sich als fadenscheinig erwiesen. Thiels Firma Palantir erhielt vom US-amerikanischen Militär einen Auftrag über eine halbe Milliarde US-Dollar. Anduril, ein Unternehmen des Thiel-Protégés Palmer Luckey, sicherte sich vor wenigen Monaten einen Auftrag des Verteidigungsministeriums im Umfang von 250 Millionen US-Dollar. Der Anleger Marc Andreessen kanzelte den Staat in seinem »Techno-Optimist Manifesto« zwar als Hemmschuh ab, verbrachte die Biden-Ära jedoch gleichzeitig damit, Unternehmen im Rahmen seiner »American Dynamism«-Initiative bei der Jagd nach Staatsaufträgen zu unterstützen. Indessen spielt das Silicon Valley heute eine weitaus größere Rolle als während Trumps erster Präsidentschaft. So ernannte dieser nun David Sacks, einen weiteren PayPal-Mafioso, zum »KI- und Krypto-Zaren« seiner Regierung, was die gewachsene Bedeutung von Kryptowährungen wie dem Bitcoin verdeutlicht. Dessen Wert, der am Wahltag 2016 bei 700 US-Dollar stand, ist inzwischen auf über 100.000 US-Dollar geschossen.  

Im Vorlauf der Wahlen von 2024 verglich Trump die Kryptowährungen mit der »Stahlindustrie vor 100 Jahren« und versprach, »die Krypto-Hauptstadt des Planeten und die Bitcoin-Supermacht der Welt« aufzubauen. Trumps Entscheidung, dem Silicon Valley eine zentrale Rolle in seiner Regierung zuzuweisen, macht sich nicht nur die Beliebtheit eines prosperierenden Aktienmarktes zunutze, dessen Wachstum in hohem Maße von einer Handvoll Tech-Giganten abhängt. Sie zeugt auch von einem Weltbild, in dem man eher einer innovativen Zukunft entgegenblickt, anstatt einer idealisierten Vergangenheit nachzutrauern.

Musks dritte Überzeugung lautet, dass Online-Politik der konventionellen Politik den Rang abgelaufen hat. X ist mehr wert als die New York Times; Tesla ist so viel wert wie alle anderen Autokonzerne zusammengenommen. 2016 inszenierte Trump eine feindliche Übernahme der Republikaner. Seine Kandidatur stieß auf Gegenwind aus dem gesamten Parteiestablishment. Trump demonstrierte jedoch, wie wirkungsvoll Tabubrüche und gelenkte Wut sein können, insbesondere in Zeiten der sozialen Medien mit ihrer ungewohnten Unmittelbarkeit. Musk übernahm das neue Paradigma zunächst nicht und stellte sich 2016 gegen Trump. Sein politischer Weg nach rechts beschleunigte sich 2020 durch zwei Ereignisse: Erstens schränkten die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie den Betrieb in seinen Autofabriken ein, zweitens unterzog sich eines seiner Kinder, Vivian, einer Geschlechtsumwandlung. Seitdem ist Musk zunehmend von der fixen Idee eines »Woke-Mind-Virus« beherrscht, und behauptete schließlich sogar, das Virus habe sein (in Wirklichkeit quicklebendiges) Kind »getötet«.  

Anfang 2022 bot Musk 44 Milliarden US-Dollar für eine Plattform, die in seinen Augen zu den Hauptverbreitungswegen des Virus gehörte – Twitter. Der Kauf, der erst kaum mehr als ein Online-Gag zu sein schien, wurde schließlich von den Gerichten des Bundesstaates Delaware vollstreckt. Musk wurde danach immer umtriebiger und brachte sich mit provokanten Posts vehementer denn je in den Kulturkampf ein. Nachdem ihn die Biden-Regierung durch die Umwerbung anderer E-Auto-Hersteller brüskiert hatte, sprach er sich während der US-Halbzeitwahlen 2022 erstmals öffentlich für republikanische Kandidaten aus. 2023 begann er sich darüber hinaus für exzentrische Kandidaten der globalen Rechten zu interessieren und brachte seine Bewunderung für den argentinischen Präsidenten Javier Milei und dessen Austeritätspolitik zum Ausdruck. Im Juli 2024 verkündete er seine Unterstützung für Trump und die MAGA-Bewegung. Dabei ist er bis heute geblieben. 

Neoliberale Bastarde

Bekanntlich hat Musk Tesla weder gegründet, noch war er an der Entwicklung der relevanten Technik beteiligt. Sein Beitrag besteht darin, ein vielversprechendes Start-up-Unternehmen entdeckt und dessen Kapitalisierung und Vermarktung extrem erfolgreich vorangetrieben zu haben. Trump übernahm die Republikanische Partei, veränderte ihr Gesicht und machte sie zu seiner eigenen Marke. Die Entwicklungen führten dazu, dass sich die Wege der beiden disruptiven Erneuerer kreuzten. Und nun sucht Musk weltweit nach weiteren Aufsteigern, die den altetablierten Marken ihre Stellungen streitig machen. Aus diesem Grund ziehen ihn Mileis La Libertad Avanza oder die von Nayib Bukele angeführte Partei Nuevas Ideas aus El Salvador an, genauso wie jüngst auch Reform UK, die AfD oder Fratelli d’Italia. Es handelt sich hier um die Möchtegern-Teslas des politischen Lebens. Dass Giorgia Meloni kürzlich Interesse an Musks Starlink-System zeigte, anstatt den italienischen Bedarf an Satellitentechnologie im Rahmen des anlaufenden EU-Projekt Iris zu decken, verweist auf die möglichen materiellen Vorteile solcher Allianzen.

Steve Bannon, ein Ex-Berater Trumps, hatte 2017 ebenfalls versucht, disparate Parteien zu einer globalen populistischen Rechten zu vereinen. Bannon fehlen allerdings nicht nur die Ressourcen eines Musk, sein Augenmerk lag auch überwiegend auf kulturellen Fragen. Bannon ging es darum, die normative Grundlage der westlichen Zivilisation zu erneuern, wobei er sich ausgehend von der hinduistischen Kosmologie düsteren Betrachtungen über die Moderne als Zeitalter von Finsternis und Verderbnis (Kali-Yuga) hingab. Seine ökonomische Vision richtete sich (zumindest rhetorisch) gegen den neoliberalen Mainstream und dessen Diktate von Austertität, Wirtschaftlichkeit und internationaler Arbeitsteilung. 

Daraus ergab sich ein einfaches Problem: Die weltweit erfolgreichsten Parteien der rechten Rebellion sind dem Neoliberalismus nicht feindlich gesonnen, sie sind vielmehr dessen Bastarde. Die von Musk becircten Parteien stehen allesamt für dieselben Prinzipien von Kostensenkung und Wirtschaftlichkeit, die er auch in seinen Unternehmen anwendet, die Verfahrensinnovationen und Personaleinsparungen großschreiben. Milei hat die Axt an das Bildungswesen und den Kulturhaushalt gelegt. Dasselbe gilt für Bukele, dessen Haushalt gleichzeitig die Inhaftierung von zwei Prozent der erwachsenen salvadorianischen Bevölkerung abdeckt – ein globaler Rekordwert.  

Die AfD, das jüngste Ziel von Musks Liebesbombardements, hat Neonazis in ihren Reihen. Dennoch ist die Selbstbezeichnung »libertär-konservativ« der aktuellen Co-Vorsitzenden Alice Weidel recht passend: Die Partei verbindet das einwanderungsfeindliche Versprechen auf geschlossene Grenzen mit niedrigen Steuern, Deregulierung und einem Wachstumsmodell, das auf fossilen Brennstoffen beruht. Als Weidel am 9. Januar 2025 vor mehreren Hunderttausend Zuschauerinnen und Zuschauern mit Musk auf X diskutierte, erklärte sie, die AfD wolle »die Menschen vom Staat befreien«. »Wir wollen Meinungsfreiheit«, so Weidel, und außerdem »Vermögensfreiheit«. Die Feindbilder ähneln jenen der Thatcher- und Reaganjahre: Bürokratie, Sozialleistungsempfänger und Aufsichtsbehörden.

Retter der menschlichen Zivilisation

Musks fünfter Grundgedanke ist vielleicht der merkwürdigste von allen: Seine Überzeugung, dass die ferne Zukunft das Handeln in der Gegenwart bestimmen sollte. So verstiegen seine Erörterungen darüber klingen, dass die menschliche Gattung eine »multiplanetare Zivilisation« werden müsse, bieten sie doch immerhin einen Hinweis darauf, warum er sich selbst so gerne ins Zentrum der Aufmerksamkeit schiebt.  

Wir haben es hier nicht mit dem klassischen Bereicherungsschema von Milliardären zu tun, die Bündnisse mit Politikerinnen und Politikern eingehen, um an staatliche Aufträge heranzukommen oder Steuervergünstigungen zu erwirken. Üblicherweise bleiben sie dabei selbst im Hintergrund und agieren indirekt durch Lobbygruppen – sogenannte Pacs (Political Action Committees) – oder indem sie mediale Öko-Systeme zur Meinungsmache aufbauen, wie etwa der ultralibertäre Kohlebaron Charles Koch. Auch George Soros und Bill Gates verfolgen ihre Ziele, indem sie zivilgesellschaftliche Aktivitäten wie Forschung, Interessenvertretung und Journalismus finanzieren. Darin liegt der wahre Kern der Schmähungen, die Musk fortwährend über die beiden ausgießt. 

Musks Wille, selbst im Mittelpunkt zu stehen, deutet darauf hin, dass er die Macht seiner eigenen Marke erkannt hat. So wie Trump zum Synonym der Republikanischen Partei geworden ist, ist Musks Personenkult von der Bewertung seiner Unternehmen nicht zu trennen. Jeder Zweifel daran erübrigt sich angesichts der kometenhaft steigenden Aktienkurse von Unternehmen, die er in den letzten fünf Jahren mitgegründet oder geleitet hat.  

Musk geht es nicht darum, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen. Selbst nach einem Zerwürfnis mit Trump, das sicher kommen wird, wird er sich nicht einfach abschütteln lassen und auf tausend verschiedene Arten und Weisen dafür sorgen, dass sein Name weiterhin Schlagzeilen macht. Und obwohl er die dafür erforderliche US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, steht ihm nicht der Sinn danach, eines Tages selbst Präsident zu werden. Ganz gleich, ob es darum geht, Twitter zu kaufen, ein Dutzend Kinder zu zeugen oder Trump zum Wahlerfolg zu verhelfen, Musk will seine Entscheidungen stets als Beitrag zur »Zukunft der Zivilisation« verstanden wissen.

Er strebt nicht danach, der nächste Koch oder Soros zu werden. Als Vorbild schwebt ihm vielmehr eine Figur wie Hari Seldon aus Isaac Asimovs Science-Fiction-Zyklus Foundation vor, einen Roman, den Musk als einen der »besten aller Zeiten« preist. In Asimovs Geschichte sagt der Mathematiker Seldon die Zukunft der Menschheit voraus und greift als erleuchteter Avatar in deren Geschicke ein. Er rettet nicht nur eine Partei oder eine Gesellschaft, sondern die ganze Zivilisation. Vermutlich kann nur dieser Grad an Bestätigung Musks Ego befriedigen, nachdem er alle anderen Ziele auf Erden erreicht hat.

Sandbox Gaming

Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass für Musk die Vereinnahmung des Staates kein Selbstzweck ist, sondern nur ein Vorspiel zum Staatsausstieg – der Gründung einer neuen politischen Ordnung, sei es auf der Erde (erprobt durch die Gründung einer firmeneigenen Stadt in Starbase, Texas) oder auf dem Mars. Aber wie ernst sollten wir diesen »Longtermism« nehmen? Wäre es nicht angemessener, Musk im Gegenteil als Inbegriff der Kurzzeitorientierung zu verstehen? Eine gute Historikerin versteht eine Persönlichkeit nicht aus deren eigenen Absichten – unabhängig davon, wie mächtig diese auch sein mag –, sondern aus den Umständen, denen dieses Individuum entstammt. Warum kehren wir die Frage nach Musks Weltentwürfen nicht um und fragen nach den Welten, die Musk hervorgebracht haben?

Musk und sein Vermögen sind dem Schaum der Aktienmärkte entstiegen. Während der Dotcom-Blase trat er zunächst als Mitgründer von PayPal in Erscheinung. Nach der Weltfinanzkrise begann eine Phase des Quantitative Easing, die spekulative Anlagenmärkte mit Liquidität fluteten, kapitalintensive Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit Geld überschütteten, und die Bewertungen in unerhörte Höhen steigen ließen. Um eine Aktie hochzutreiben, muss man die Logik des Hype-Zyklus beherrschen und den richtigen Zeitpunkt für Kauf und Verkauf kennen. Die »Pump and Dump«-Methoden, die Musk im Zusammenhang mit seinen »Meme Coin«-Kryptowährungen vorgeworfen wurden, sind dabei nur das offensichtlichste Beispiel für dieses Vorgehen. Dass die neugeschaffene, Musk unterstellte Abteilung für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency; Doge) mit einem Akkronym abgekürzt wird, das der von Musk beworbenen Kryptowährung Dogecoin entlehnt ist, wirft abermals die Frage auf, inwiefern spekulative Investitionen mit dem Grundsatz der Verantwortlichkeit vereinbar sind.    

Musks Neigung zu hochriskanten, kurzfristigen Unternehmungen wird vielleicht noch besser durch seine Gamingleidenschaft illustriert, insbesondere durch seine Vorliebe für das Dungeon-Crawler-Genre, in dem der Held sich durch feindlich bevölkerte Unterwelten kämpfen und Aufgaben unter Zeitdruck erledigen muss. Musk informiert die Welt regelmäßig über seinem Durchmarsch durch die Bestenlisten seiner momentanen Lieblingsspiele, Diablo IV: Vessel of Hatred und Path of Exile 2. In ersterem trägt sein Avatar eine Rüstung, die an den QAnon-Schamanen vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 erinnert. Bei Path of Exile geht es darum, einen Bösewicht zu besiegen, der aus einem »Samen der Verderbnis« ein Ungeheuer gezüchtet und es anschließend mit ausgegrabenen Leichnamen genährt und aufgezogen hat. 

Musk schwärmt, Computerspielen im Speedrunning-Modus habe ihm »Erfahrungen fürs Leben« vermittelt und ihn gelehrt, »die Matrix zu durchschauen, statt bloß in der Matrix zu leben«. Vielleicht meint er damit, dass das Meistern solcher Spiele einen nicht unsterblich macht – im Gaming ist der Tod allgegenwärtig –, aber immerhin kann man der beste Spieler werden. »Identifiziere den mächtigsten Gegner«, rät Musk dem Publikum eines Streaming-Videos, in dem er live Diablo IV spielt, »und greife ihn direkt an«. Musk hat so etwas wie einen Seelenverwandten in Trump gefunden. Bislang hat dessen über hundert Milliarden US-Dollar schwerer Gönner ihm alle Wünsche erfüllt, ohne dass der Vorwurf des Ausverkaufs laut geworden wäre. Selbst ein Streit über temporäre Aufenthaltsgenehmigungen, in dem MAGA-Anhänger der Silicon-Valley-Fraktion mit kompromisslosen Einwanderungsgegnerinnen zusammenprallten, haben Trumps Image nicht beschädigt.

Nun, da Musk in der neuen US-Regierung fest verankert ist, nimmt er Regierungsoberhäupter anderer Länder ins Visier, von Justin Trudeau bis Olaf Scholz. Es ist nihilistisch, rücksichtslos und – perfekt für einen Gamer, der es gewohnt ist, kurzfristige Impulse zu befriedigen – sorgt für Endorphinschübe, ohne die realen Konsequenzen zu bedenken. Bisher von seinen Provokationen verschont geblieben sind die Länder, die seinen eigenen Interessen am nächsten stehen, allen voran China, wo er möglicherweise noch eine mäßigende Rolle in der Trump-Administration spielen könnte. Der Rest der Welt bleibt, was Game-Entwickler als eine Sandbox bezeichnen – ein offenes Spielfeld zur freien Erkundung.

Vielleicht kommt das der Realität näher: Musk ist nicht Hari Seldon, der »Psychohistoriker«, der die Zukunft aus seiner Bibliothek heraus lesen kann, sondern eher der Teenager im Wohnzimmer, der über Aliens und Per Anhalter durch die Galaxis philosophiert und die Faust ballt, wenn er einen weiteren pixeligen Dämon besiegt. Die Welt belohnt ihn immer wieder dafür. Warum sollte er damit aufhören? 

Übersetzung aus dem Englischen von Maximilian Hauer. Copyright © 2025 New Statesman Limited. All Rights Reserved. Reproduced by special permission.