Zur Kritik der sozialistischen Vernunft

Der Kapitalismus kann die aktuelle Polykrise nicht lösen und wirkt doch alternativlos wie nie. Dass es trotzdem utopische Alternativen gibt, zeigt Samia Mohammed in »Zukunft jenseits des Marktes«. Das Durchdenken dieser Alternativen bedeutet radikale Kritik, zumindest, wenn man es mit der Utopie ernst meint.

Die kapitalistische globale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung 1 Vgl. für einen Kapitalismusbegriff, der über ein reines Wirtschaftssystem hinausgeht, beispielsweise Fraser, Nancy/Jaeggi, Rahel (2021): Kapitalismus. Ein Gespräch über kritische Theorie. 2. Aufl. Berlin: Suhrkamp.  wirkt der Herausforderung einer sozial-ökologischen Transformation nicht gewachsen. Fast wöchentlich werden neue Hitzerekorde 2 https://climate.copernicus.eu/copernicus-2023-hottest-year-record  und Kipppunkte 3 https://www.theguardian.com/environment/2024/feb/09/atlantic-ocean-circulation-nearing-devastating-tipping-point-study-finds vermeldet. Seit dem Brexit und der Präsidentschaft Donald Trumps sind die ruhigen Jahre der Postpolitik 4 Crouch, Colin (2017): Postdemokratie. 13. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. endgültig vorbei. Eine fundamentale Systemkritik, die die Versprechen von grünem Wachstum und Krise der demokratischen Lebensform in den Blick nimmt, anstatt Wachstum und Demokratie gegeneinander auszuspielen, ist dringend nötig. Ecosocialism und climate justice, statt cannibal 5 Fraser, Nancy (2023): Cannibal capitalism. How our system is devouring democracy, care, and the planet – and what we can do about it. London: Verso.  und fossil capitalism, 6 Malm, Andreas (2016): Fossil capital. The rise of steam power and the roots of global warming. London, New York: Verso. lautet die Stoßrichtung aktueller Debatten, in denen auch die Idee der Planwirtschaft als utopische Perspektive zunehmend in den Blick gerät. 7 Vgl. für die deutsche Diskussion beispielsweise Herrmann, Ulrike (2022): Das Ende des Kapitalismus. Kiepenheuer Witsch GmbH; Zelik, Raul (2020): Wir Untoten des Kapitals. Über politische Monster und einen grünen Sozialismus.

Demokratische Weiterentwicklung der Planwirtschaft

Dass die Debatten, die um die Idee und Realität geplanten Wirtschaftens seit mehr als hundert Jahren stattfinden, für die aktuelle Polykrise einen Lösungsansatz darstellen, glaubt auch Samia Mohammed. In »Zukunft jenseits des Marktes« unternimmt die Autorin den Versuch, die sozialistische Planwirtschaft auf die Höhe gegenwärtiger Problemdiagnosen sowie sozial- und geisteswissenschaftlicher Theoriebildung zu bringen. Dazu analysiert sie zeitgenössische Zukunftsentwürfe, in welchen sie eine Planwirtschaftsdebatte 2.0 sieht, aus zwei Perspektiven. Einerseits fragt sie, ob diese »mit vorherrschenden und für die kapitalistische Moderne charakteristischen Formen herrschaftsförmiger Naturverhältnisse brechen« (9), wobei sie einen Zugang wählt, der sich in das Feld der »Neuen Materialismen« und des »Ökofeminismus« einordnen lässt und sich um Autor*innen wie Bruno Latour und Donna Haraway gruppiert. 8 Vgl. Hoppe, Katharina/Lemke, Thomas (2023): Neue Materialismen zur Einführung. 3. Aufl. Hamburg: Junius.  Andererseits sollen »demokratie- und freiheitstheoretische Implikationen [dieser Vorschläge] diskutiert werden«, ein Zugang, der sich als radikaldemokratische Kritik 9  Vgl. Flügel-Martinsen, Oliver (2019): Kritik. In: Comtesse, Dagmar/Flügel-Martinsen, Oliver/Martinsen, Franziska/Nonhoff, Martin (Hg.): Radikale Demokratietheorie. Ein Handbuch. Berlin: Suhrkamp, 576–582.  an sozialistische Planungsentwürfe beschreiben lässt.

Jonas Lang

Jonas Lang studierte Politikwissenschaften und Soziologie in Freiburg. Aktuell absolviert er im Rahmen des Masters Politische Theorie der Goethe-Universität einen Auslandsaufenthalt an der ÉNS Paris. Er beschäftigt sich mit zeitgenössischer politischer Theorie und Philosophie in Deutschland und Frankreich, dem Werk Michel Foucaults und Fragen von Politik und Identität. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift diskurs.

Bevor Mohammed ihre Kritik ausbuchstabiert, widmet sie sich der Gegenwart, für welche der Sozialismus fit gemacht werden soll. Ausgehend von Mark Fishers Studie »Capitalist Realism« und Wendy Browns Arbeiten zum Neoliberalismus diagnostiziert Mohammed eine ideologische und gouvernementale Ohnmacht des neoliberalen Spätkapitalismus. Ausschlaggebend für die Unfähigkeit der kapitalistischen Gesellschaft, adäquate und effektive Lösungen für die aktuelle Polykrise zu finden, sei die stille Akzeptanz und Naturalisierung von Profit- und Wachstumszwängen sowie die Fokussierung auf das individuelle ökonomische Vorankommen im Vergleich zu kollektivem politischen Handeln. Die Gegenwartsdiagnose besticht grundsätzlich, verharrt aber – lose gesprochen – im Modus der Ideologiekritik. Denn neben den internen Prozessen von Naturalisierung, Akzeptanz und neoliberaler Subjektivierung gibt es auch handfeste Strukturen und Institutionen, die eine Überwindung des Kapitalismus verhindern: Zentralbanken, fossiles Kapital, private Medienkonzerne sowie politische Entscheidungsträger*innen und Institutionen.

Eine solche eher objektiv- oder empirisch-materialistische Analyse steht für Mohammed nicht im Zentrum der Untersuchung. Denn das utopische Denken neuerer Planwirtschaftsentwürfe wäre laut ihr eine geeignete Alternative, um vor allem ideologische Hürden zu überwinden und andere Zukünfte überhaupt erst wieder vorstellbar zu machen. Mohammeds Buch lässt sich in dieser Weise als interne Weiterentwicklung der sozialistischen Planungsentwürfe lesen und nicht als Manifest oder Anleitung zu ihrer Umsetzung. Diese Zurückhaltung und der kritische statt entwerfende Gestus des Textes sind der Fragestellung nach einem radikaldemokratischen Sozialismus geschuldet und nur konsequent. So schreibt Mohammed:

die Denaturalisierung und Infragestellung gegenwärtiger Selbstverständlichkeiten durch ihre Dekonstruktion und das genealogische Aufweisen ihrer Gewordenheit sind […] zentrale Schritte […] zu ihrer Überwindung. Sie können durch utopische Theorie und präfigurative Praxis jedoch effektiv ergänzt werden, wenn sie selbstreflexiv und […] sich ihrer eigenen Vorläufigkeit […] und Fehlbarkeit bewusst bleiben.

Ihr Buch verortet Mohammed damit zwischen verschiedenen Kritikrichtungen und öffnet den Raum für eine Diskussion der Planwirtschaft, die zwar keine absoluten Lösungen aufweisen, durchaus aber – wie eine spätere Kapitelüberschrift – »Leerstellen und Potentiale« herausarbeiten kann.

Planwirtschaft 2.0

Zunächst aber müssen die sozialistischen Planungsentwürfe einmal vorgestellt werden. Mohammed beginnt ihre Übersicht mit einer historischen Aufarbeitung der ersten Planwirtschaftsdebatte zwischen Otto Neurath, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek.

Neurath sieht die Planwirtschaft als Mittel zur »Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen« und zur »Maximierung von Glück und gutem Leben auf der Erde« (35). Genauer setzt er auf eine »geldfreie, administrative Naturalwirtschaft« (36), da er die Marktwirtschaft und das mit ihr verbundene Preis- und Geldsystem für defizitär und nicht leistungsfähig genug hält. Den direkten Gegenspieler zu Neurath bildet in Mohammeds Darstellung Ludwig von Mises, der die Machbarkeit der Neurath’schen Naturalwirtschaft grundlegend abräumt. »Mises’ zentrales Argument« lautet in Mohammeds Worten, »dass die sozialistische Planung daran scheitern würde, dass jede Form von Wirtschaft auf eine Rechnung angewiesen ist, die in einer planwirtschaftlichen Organisationsform aufgrund der fehlenden Inkommensurabilität verschiedener Güter(ordnungen) durch die Abschaffung von Preisen […] nicht zu leisten sei« (40). Ähnlich, wenn auch abstrakter, argumentiert Hayek, der mit seinem »information argument« (41) darauf hinweist, dass die für eine effiziente Planung notwendige Informationsmenge nicht durch Gremien oder Personen beschaffbar und organisierbar sei. Im Gegenteil könne nur der Markt und das unternehmerische Streben aller Markteilnehmenden die Aufgabe als gesellschaftlicher Veridiktionsmechanismus 10  Diesen Begriff übernehme ich von Michel Foucault. Er beschreibt damit Praktiken, Rituale und Diskurse, die die die Entstehung von Wahrheiten beeinflussen oder Wahrheiten als solche erscheinen lassen. Der Markt ist, folgt man seiner Interpretation des Liberalismus ein solcher Veridiktionsmechanismus, der den wahren Preis und die natürliche Preisordnung zum Vorschein bringt. Siehe hierzu Foucault, Michel (2022): Die Geburt der Biopolitik. Vorlesung am Collège de France 1978-1979. 9. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, Vorlesung I und II, S. 13-76. übernehmen.

Nach diesem »Crashkurs: historische Planwirtschaftsdebatte« und der Vorstellung zentraler Streitfragen wendet sich Mohammed vier aktualisierten Planwirtschaftsentwürfen zu, die neue Impulse für die Problemstellungen mitbringen. Ohne näher auf »Peoples Republic of Walmart« (Leigh Phillips, Michal Rozworski), »Inventing the Future« (Nick Srnicek, Alex Williams), »Rationality and Distribution in the Socialist Economy« (Jan Philipp Dapprich) und »Digital Socialism?« (Evgeny Morozov) einzugehen, ergeben diese vier Entwürfe ein schlüssiges Gesamtbild zeitgenössischer Utopien, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Zwar bilden sie keineswegs ein gemeinsames Projekt, da sie sich, worauf Mohammed auch hinweist, »hinsichtlich ihrer Zielrichtungen und der jeweiligen Detailliertheit der Ausarbeitung gerade nicht ähneln, sondern eher komplementär zu betrachten sind« (46). Trotzdem lassen sich diese utopischen Versuche unter das Label »prometheischer Perspektiven« einordnen, da sie alle Ideen zu einer »möglichen […] Neuausrichtung des Wirtschaftssystems […] [und] eine konkret ausgearbeitete Wirtschaftsrechnung« (46) entwickeln. Gemeinsam ist ihnen dabei die »Reduktion der Arbeitslast [durch Automatisierung und technischen Fortschritt, Anm. J. L.], die bewusste und rationale kollektive Kontrolle der Ökonomie und der darauf aufbauende Ausbau von Freiheit« (138) sowie ihr Vertrauen in die moderne Informationstechnik, also Big Data, die die Informationsargumente von Mises’ und Hayek ausräumt.

Mohammed gibt die Positionen gut verständlich und genau wieder, spart nicht an der Rekonstruktion von Kritiken innerhalb des Planwirtschaftsdiskurses und stellt blinde Flecken vorauseilend heraus. So findet sich im dritten Kapitel besonders für Einsteiger*innen eine gelungene Überblickdarstellung der historischen Diskussion um die heute fast mythisch anmutende Idee einer Planwirtschaft sowie der aktuellen Auseinandersetzungen mit ihr auf Höhe der sozio-ökonomischen Realität im 21. Jahrhundert. 

Kritik der Planwirtschaft

An das idealtypische Bild einer Planwirtschaft 2.0 legt Mohammed einige Kritikinstrumente der zeitgenössischen sozial- und geisteswissenschaftlichen Theoriebildung an. Während sich die prometheischen Perspektiven natürlich als Alternativen zum kapitalistischen System und seinen ökologischen und sozialen Zerstörungsdynamiken verstehen, arbeitet Mohammed einige teils radikale Leerstellen bzw. Probleme heraus. 

Erstens haben diese prometheischen Perspektiven, so ließe sich im Sinne der Kritischen Theorie konstatieren, ein Ideologieproblem, da sie den Effizienz- und Fortschrittsgedanken traditioneller Theorien unkritisch übernehmen 11 Vgl. Horkheimer, Max (2021): Traditionelle und kritische Theorie. In: Vogelmann, Frieder (Hg.): Traditionelle und kritsiche Theorie. Ditzingen: Reclam. S.13–19; 33–34; sowie Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. (2017): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. 23. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. S. 43–49.  : So zeigt Mohammed, dass alle Planungsentwürfe dem Grundmuster der spezifisch modernen Rationalität als menschlicher Beherrschung der Natur verhaftet bleiben. Bereits das übermäßige Vertrauen in Technik stellt ein Problem dar, denn ob und wie genau Informationstechniken für sozialistische Planung genutzt werden können, bleibt meist offen und verkennt in manchen Ansätzen die intrinsisch kapitalistische Qualität heutiger Technologien. Die Planungsentwürfe brechen zudem nicht mit der (beispielsweise von Daniel Loick und Eva von Redecker untersuchten) zerstörerischen Wirkung, die der Fetischcharakter der Ware und die bürgerliche Eigentumsform auf die Subjekte im Kapitalismus hat.

Zweitens lassen sich aus einer eher französischen (neo)marxistischen Perspektive Leerstellen zum Verständnis kapitalistischer Reproduktion und der Notwendigkeit ideologischer Staatsapparate ausmachen. 12 Für die feministische Kritik an der theoretischen Leerstelle der Reproduktion bei Marx siehe . Außerdem: Althusser, Louis (2019): Ideologie und ideologischer Staatsapparate. 1. Halbband: Michel Verrets Artikel über den „studentischen Mai“. 3. Aufl. Hamburg: VSA: Verlag. Insbesondere S. 37–44 und S. 60–70 zur Reproduktion des gesamten Systems; sowie Kapitel »Über die Ideologie« zur subjektivierenden Wirkung der ideologischen Struktur.   Mohammed weist darauf hin, dass die »prometheischen Perspektiven« die Reproduktionsarbeit, die in der absoluten Mehrheit von Frauen geleistet wird, nicht ausreichend in den Blick nehmen. Gerade weil dieses Problem häufig als Leerstelle sozialistischer und marxistischer Literatur benannt wird, enttäuscht es etwas, dass die Autorin diesen Kritikpunkt zu kurz und ohne Hinweise auf einschlägige Literatur ausarbeitet.

Zuletzt operieren die Ansätze nicht wirklich in einem Modus der kontingenten Selbstinfragestellung, was für einen Planungsentwurf zunächst nicht falsch sein muss. Doch das Fehlen von dezentralen Reflexionsinstanzen, die ausbleibende Einbeziehung sozialer Bewegungen und des Ausprobierens neuer Lebens- und Arbeitsentwürfe wird für Mohammed zum Problem – vor allem dort, wo auch in der sozialistischen Utopie unliebsame Aufgaben zu verteilen und Machtkonzentrationen zu vermeiden sind. Jeder dieser Kritikpunkte überzeugt. Offen bleibt lediglich die Frage: Wie nun eine Utopie entwerfen, die diese Fehler nicht macht? 

Utopie ohne Ordnung?

Diesem Problem widmet sich Mohammed zum Ende des Buches. Im letzten Kapitel »(Welche) Planwirtschaft als Utopie?« finden sich einige Ansätze. Die hier an der Heuristik der beiden Ideologiebegriffe eingeordneten und von Mohammed ausgearbeiteten Leerstellen lassen sich als Aufforderungen an den Planungsdiskurs verstehen: Überdenkt das instrumentelle Technik- und Fortschrittsverständnis und weist vor allem der Natur eine nicht rein objektive Stellung zu. Nutzt die vielfältigen kreativen Weiterentwicklungen sowohl des Eigentums- als auch des Reproduktionsbegriffs, um aktuelle Pathologien des Sozialen nicht unreflektiert weiterzuführen. Das Problem der fehlenden demokratischen Ausgestaltung utopischer Entwürfe stellt die Autorin und auch die Leser*innen, vor allem aber den Planungsdiskurs vor große Schwierigkeiten. 

Den Kern der Kritik und damit auch das Problem, wie eine gute Ordnung überhaupt denkbar wäre, erbt Mohammends Argument aus den Auseinandersetzungen rund um radikale Demokratietheorien. 13 Vgl. Comtesse, Dagmar/Flügel-Martinsen, Oliver/Martinsen, Franziska/Nonhoff, Martin (Hg.): Radikale Demokratietheorie. Ein Handbuch. Berlin: Suhrkamp, 576–582.  Aus dieser Sicht geht jede gesellschaftliche Ordnung und jeder potentielle Planungsentwurf mit ideologischen Strukturen einher und ist nach der Institutionalisierung möglicherweise besser als zuvor, keineswegs aber gut, da weiterhin soziale Pathologien, nicht legitimierte Ungleichheit, Ausschlüsse und Herrschaftsverhältnisse bestehen. 

Die von Mohammed präferierte Lösung für das Dilemma, wie eine radikaldemokratische Planwirtschaft aussehen könnte, versucht sie mit Verweis auf Jacques Derridas These einer »démocratie à venir«, also gerade der Affirmation dieser Unabgeschlossenheit und permanenten Unzulänglichkeit jeder institutionalisierten Ordnung, zu finden. Ihre radikaldemokratische Kritik ist in diesem Zusammenhang insofern wichtig, als sie herausarbeitet, wie die prometheischen Perspektiven ihr eigenes Autoritätsmoment nicht hinreichend reflektieren. Dass jeder explizite Vorschlag, jedes utopische Institutionendesign, schlicht jede Ordnung diesen Vorwurf über sich ergehen lassen muss, ist Kern und theoretischer Motor dieses Kritikmodus. Er sorgt aber auch dafür, dass Mohammed keine konkreten Vorschläge für eine utopische Planwirtschaft ausarbeiten kann. Die konkrete Benennung einer möglichen Wirtschaftsrechnung und den dazugehörigen wirtschaftlich-staatlichen Organisationsformen, die den oben erhobenen Kritikpunkten entgehen könnten, muss ausbleiben ­– Kritik statt Entwurf. 

»Zukunft jenseits des Marktes« bietet damit eine gelungene einführende Rekonstruktion in die historischen Debatten rund um Planwirtschaft und utopischen Sozialismus, sowie einen schlüssigen Überblick über aktuelle Positionen. Während besonders diese Teile des Buches sich sehr gut lesen, hätte den späteren Kapitel ein etwas strafferes Lektorat gutgetan, um in manchen Fällen absatzlange Schachtelsätze zu entwirren und kleinere Fehler auszubessern. Die dort formulierten Kritiken an den zeitgenössischen Planungsentwürfen sind trotz alledem schlüssig und verlangen nicht weniger als eine wirkliche Evolution sozialistischen Denkens in der »Postmoderne«. Dass ein solcher Anspruch womöglich unerfüllbar bleiben muss, dafür bietet das Buch selbst den besten Beweis, was dessen Qualität jedoch kaum schmälert. Viel eher wird so die Komplexität dieses theoretischen Unterfangens und die damit verbundenen Enttäuschungen im Lesen erfahrbar gemacht. Wer sich auf dieses ausbleibende Happy End einlassen möchte, wird hier viel Spannendes mitnehmen.