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Deutschland muss investieren, um den Rechtsruck aufzuhalten

Die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen zeigen das Erstarken der AfD in Westdeutschland. Die politische Reaktion sollte eine staatliche Investitionsoffensive sein, argumentiert der Berliner Ökonom Dirk Ehnts.

Bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern erreichte die rechtsextreme Alternative für Deutschland  den 3. Platz, knapp hinter den Freien Wählern, und in Hessen den 2. Platz. Sind diese Ergebnisse ein Protestschrei der Wählerschaft oder signalisieren sie einen Rechtsruck in der Gesellschaft? Der Blick auf den Rest der Welt zeigt uns, dass es sich wahrscheinlich um eine Kombination von beiden Punkten handelt. Der Protestschrei wird sicherlich auch mit dem historisch größten Verlust an Kaufkraft zu tun haben, den die ArbeitnehmerInnen nach einem halben Jahrhundert hinnehmen mussten. Bei deutlich schwächerer Nominallohnentwicklung hat der Anstieg von Preisen für importierte Energie zu erheblichen Kaufkraftverlusten bei den Menschen geführt, dies zeigt die untenstehende Abbildung 1.

Die Reallohnverluste sind jedoch kein natürliches, sondern ein politisches Ergebnis, denn die Nominallöhne werden von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in unserer Gesellschaft ausgehandelt. Natürlich musste die Gesellschaft sich ohnehin auf Reallohnverluste einstellen, sprunghaft ansteigende Importpreise können in kurzer Zeit nicht so leicht kompensiert werden. Auch nicht durch stärkere Gewerkschaften. Bei der Verteilungsfrage kann aber auch der Staat ein erhebliches Wörtchen mitreden. Man schaue nur auf das 9-Euro-Ticket, den Tankrabatt oder die Reduktion der Mehrwertsteuer – wenn der politische Wille da ist, dann kann die Bundesregierung den ArbeitnehmerInnen schnell unter die Arme greifen. Sie hätte zur Entlastung in bestimmten Bereichen auch eine Übergewinnsteuer beschließen können, doch leider hat die Bundesregierung sich nicht an diese durchaus angemessene Maßnahme herangetraut. Während die Maßnahme öffentlich diskutiert wurde, erschütterten diverse Bundestagsabgebordnete der Oppositionsparteien CDU/CSU das Vertrauen in die Politik mit ihren Maskendeals.

Dirk Ehnts

Dr. Dirk Ehnts ist Ökonom und Buchautor. Im November 2023 erscheint sein Lehrbuch »Makroökonomik« bei Springer. Dirk Ehnts ist Vorstandssprecher der Pufendorf-Gesellschaft in Berlin. Er hält Kurse zur MMT und volkswirtschaftlichen Themen u.a. im Rahmen der Maastricht Summer School.

Wirtschafts- und Zinspolitik

Aber auch die deutsche Wirtschaftspolitik trägt seit einiger Zeit nicht dazu bei, den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Während der Pandemie wurde noch richtig geklotzt: Die Europäische Zentralbank (EZB) ließ den Zins bei null und kündigte ein groß angelegtes Ankaufprogramm an, um die nationalen Regierungen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben und Ausgaben zu unterstützten. Die Staatsausgaben stiegen darauf an, in Deutschland gab es während der Pandemie Kurzarbeitergeld und die sogenannte Bazooka (unbegrenzte KfW-Kredite an Unternehmen) kam. Im Ausklang der Pandemie und der darauf folgenden wirtschaftlichen Erholung kam nach der russischen Invasion in der Ukraine dann noch der Doppelwumms (staatliche Stützung der Energieversorgung und Preisbremsen). Diese Maßnahmen waren richtig und haben die Beschäftigung stabilisiert. 

Der Anstieg der Energiepreise ab 2021 wurde allerdings falsch eingeschätzt. Statt einer Einordnung als Energiepreisschock bzw. Terms-of-Trade-Schock (Handelsbilanzschock) wurde das Symptom steigender Inflationsraten zum Problem hochstilisiert. Die EZB, die lange Zeit untätig blieb, fing mit Zinserhöhungen an. Ein wesentliches Argument für die Zinserhöhungen, welches man in Deutschland hörte, betraf den Wechselkurs. Dieser sank von 1,20 USD pro Euro im Januar 2021 auf unter 1 USD pro Euro im Juli 2022. Ende Juli erhöhte dann die EZB erstmals den Zins. Der Wechselkurs des Euro, so wurde erwartet, sollte dann aufwerten. Somit würde alles, was in Dollar gekauft würde, für Deutschland billiger werden. Bei einem aktuellen Wechselkurs von 1,05 USD pro Euro im Vergleich zu 1,02 USD pro Euro zum Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung ist festzuhalten, dass die erwartete Aufwertung nicht eingesetzt hat. Die Gründe dafür sind vielschichtig, aber dass die Wechselkurse nicht nur durch (erwartete) Zinsdifferenzen getrieben werden, war bereits vorher bekannt.

So ganz wirkungslos war die Zinspolitik der EZB aber nicht. Auf der einen Seite haben sich die Zinszahlungen der Staatsanleihen von null auf einen deutlich positiven Wert erhöht. Dies alarmierte den deutschen Finanzminister, der unbedingt die durch die Schuldenbremse gesetzten Grenzen des staatlichen Defizits – Staatsausgaben minus Steuereinnahmen – einhalten wollte. Wahrscheinlich führte dies zu der Idee, im Bundeshaushalt 2024 die Staatsausgaben zu kürzen. Zudem wird von Seiten des Bundesfinanzministeriums das Argument ins Feld geführt, dass geringere Staatsausgaben die Inflationsrate reduzieren würden. Während es durchaus theoretische Modelle gibt, welche derartige Aussagen zulassen, gibt es keinerlei unterstützende empirische Evidenz. Die statistischen Untersuchungen kommen nicht zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung der Staatsausgaben in entwickelten Volkswirtschaften zu höheren Inflationsraten führt.

Der Anstieg der Zinsen hat zudem einen deutlichen Einbruch im Bereich der Immobilienwirtschaft ausgelöst. Bei steigenden Zinsen müssen Kreditnehmer mehr Geld an die Banken zahlen, was ihnen dann beim Kaufpreis fehlt, da sie einen festen Kreditbetrag anvisieren. Steigende Zinsen haben also zu niedrigeren Immobilienpreisen geführt. Darauf hat die wirtschaftliche Aktivität im Bausektor aber stark nachgelassen. Wer möchte schon bei fallenden Immobilienpreisen neu bauen? Man könnte ja auch abwarten und in ein paar Jahren billiger eine Wohnung kaufen, die schon gebaut ist.

Durch die Zinserhöhungen der EZB und die zögerliche Fiskalpolitik mit weniger Staatsausgaben ist Deutschland Anfang des Jahres dann in die Rezession gerutscht. Gleich in zwei aufeinander folgenden Quartalen wurden negative Wachstumsraten gemessen. Grund sind laut dem Statistischen Bundesamtsinkende private (-1,2%) und staatliche Konsumausgaben (-4,9%). Somit sind wir von den wirtschaftspolitischen Zielen der Vollbeschäftigung und Preisstabilität weit entfernt. Mit über 2 Millionen Arbeitssuchenden und noch mehr Personen als Stiller Reserve (ArbeitnehmerInnen, die noch mehr arbeiten wollen oder in höher qualifizierten Stellen) sind wir keineswegs am Limit der Wirtschaft, es stünden noch genügend Ressourcen für eine Ausweitung der Produktion zur Verfügung. Gleichzeitig hat uns der Anstieg der Energiepreise die Preisstabilität verhagelt, wobei der Produzentenpreisindex schon wieder bei null angekommen ist und somit wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch die Inflationsrate wieder unter die Zielniflationsrate von zwei Prozent fällt. Dem entgegen steht der nächste Energiepreisschock, der durch den Überfall der Hamas auf Israel ausgelöst wird.

Keynes und die Lehren der Great Depression

Das Ergebnis der jüngsten Wirtschaftspolitik – Zinserhöhung der EZB, Kürzung der Staatsausgaben durch die Bundesregierung – hat sicherlich dazu beigetragen, dass viele WählerInnen enttäuscht sind von der Arbeit der Bundesregierung. In der Folge wenden sie sich ab und wählen Protest anstatt die konservative oder linke Opposition. Das Erstarken einer rechtsextremen AfD erinnert an die 1930er Jahre. Damals wurden westliche Gesellschaften in der Folge der Great Depression von Massenarbeitslosigkeit geplagt, welche mit deflationären Tendenzen einherging. Der britische Ökonom John Maynard Keynes begann das letzten Kapitel seiner Allgemeinen Theorie von 1936 mit folgendem Satz:

Die größten Fehler der Wirtschaftsordnung, in der wir leben, sind die fehlende Vollbeschäftigung und die willkürliche und ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen.

Seine Empfehlung war die teilweise „Sozialisierung” von Investitionen, um so Vollbeschäftigung zu erzielen. Nur so könne politische Stabilität erreicht werden. Fiskalische Konsolidierungen hingegen, mit denen Kürzungen der Staatsausgaben umschrieben werden, haben hingegen zur Entstehung von Massenarbeitslosigkeit und zum Aufstieg der NSDAP beigetragen. Ein Papier der schwedischen Zentralbank aus dem letzten Jahr hat die politischen Kosten der Austeritätspolitik untersucht und kommt zu folgendem Schluss:

Haushaltskonsolidierungen führen zu einem deutlichen Anstieg des Stimmenanteils extremer Parteien, einer geringeren Wahlbeteiligung und einer zunehmenden politischen Fragmentierung. Wir verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen nachteiligen wirtschaftlichen Entwicklungen und der Unterstützung extremer Parteien durch die Wähler, indem wir zeigen, dass Austerität durch den Rückgang des BIP, der Beschäftigung, der privaten Investitionen und der Löhne schwere wirtschaftliche Kosten verursacht. Austeritätsbedingte Rezessionen verstärken die politischen Kosten wirtschaftlicher Abschwünge erheblich, indem sie das Misstrauen in das politische Umfeld erhöhen.

Was also ist die richtige wirtschaftspolitische Schlussfolgerung aus dieser Analyse? – Die Lektion aus der Weltwirtschaftskrise war, dass der Staat mit seinen Ausgaben für Vollbeschäftigung und Preisstabilität sorgen sollte. Dies wurde mit dem Aufbau von Wohlfahrtsstaaten in westlichen Demokratien verwirklicht. Staatliche Gesundheitssysteme, staatliche Bildungseinrichtungen, staatliches Wohnen, Absicherung von sozialen Härten wie Altersarmut und Krankheit wurden Realität. Die Wirtschaft funktionierte so gut, dass die Unternehmen ständig mehr ArbeitnehmerInnen suchten, als verfügbar waren. So kamen Millionen GastarbeiterInnen in unser Land. Da die Menschen Arbeit hatten, empfanden sie die Migration nicht als Problem. Ganz im Gegenteil: die GastarbeiterInnen halfen mit bei der Produktion und sorgten so für Preisstabilität, da durch ihr Wirken das Angebot an Gütern und Dienstleistungen erhöht wurde. Das gilt bis heute. Wo wären wir beispielsweise in der Pflege ohne ausländische ArbeitnehmerInnen?

Die Politik sollte sich wieder der realen Probleme annehmen. Wir brauchen in Deutschland staatliche Investitionen in Bildung, Wohnen und Infrastruktur. Ohne diese Investitionen werden wir weder unsere Produktivität noch unseren Wohlstand steigern können. Die staatlichen Aufgaben im Bereich der Bildung, von Kitas über Schulen bis zu Fachhochschulen und Universitäten, sind entscheidend für das Wohlergehen der kommenden Generationen. Aktuell herrscht dort ein Kampf um knappe Ressourcen, da eine Unterfinanzierung vorliegt. Dies führt zu einer Ellbogengesellschaft, wo eigentlich Kooperation und Teamgeist gefördert werden sollten. Wir wissen aus den Pisa-Studien, dass in Finnland das Betreuungsverhältnis in Kindergärten und Schulen sehr viel besser ist als hierzulande – mit entsprechenden Ergebnissen für die Kinder. Wir können uns das auch leisten, denn wenn Finnland das als Mitglied der Eurozone kann, dann können wir das auch.

Auf dem Wohnungsmarkt hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. 2022 wurden knapp unter 300.000 neue Wohnungen gebaut, dieses Jahr sieht es noch schlechter aus. Es spricht nichts dagegen, dass der Staat neue Wohnungen auf kommunaler Ebene direkt finanziert. Allerdings muss der Bund dann einspringen und die Finanzierung sichern oder den Kommunen mehr finanziellen Spielraum per Gesetzesänderung verschaffen. Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen und steigender Mieten ist es wohl inzwischen alternativlos, dass der Staat nicht nur sozialen Wohnungsbau, sondern kommunalen Wohnungsbau betreibt, denn auch die Mittelschicht findet zu den jetzigen Preisen kaum noch bezahlbaren Wohnraum.

Doch auch bei der sozialen Absicherung ist der Staat gefragt, durch Reformen allen BürgerInnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Dabei sollte die staatliche Rente gestärkt werden, da die private Rente sich z.B. bei den Riester-Verträgen als zu teuer erwiesen hat. Zudem haben die Finanzmärkte zuletzt mit dem cum-ex-Betrug den deutschen Staat um Milliarden Euro erleichtert. In den USA verdienen die erfolgreichsten Hedgefonds-Manager inzwischen über eine Milliarde Dollar pro Jahr. Solche Positionen sollten wir in unserem Land vermeiden, denn hier wird nicht Leistung belohnt, sondern politische Macht und Lobbyarbeit.

Politische Schlüsse aus den Landtagswahlen

Die Bundesregierung sollte die Wahlergebnisse in Hessen und Bayern zum Anlass nehmen, um ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung zu überdenken. Aktuell wird der Haushalt auf die Einhaltung der Schuldenbremse ausgerichtet. Damit aber werden gesellschaftliche Probleme nicht angegangen, was sich spätestens bei der nächsten Wahl rächt. Die Rhetorik des Finanzministers, dass Steuereinnahmen erst erwirtschaftet werden müssten, ist wenig hilfreich. Sämtliche Staatsausgaben der Bundesregierung werden durch Geldschöpfung bezahlt und bis zum Ende des Tages durch Steuerzahlungen und Erlöse aus dem Verkauf von Staatsanleihen ausgeglichen. Dies bedeutet, dass der Staat jederzeit Geld ausgeben kann, sofern der Haushalt dies vorsieht. Keineswegs muss der Staat wie eine schwäbische Hausfrau auf (Steuer-) Einnahmen warten, bevor er seine Ausgaben tätigen kann. Es kann nicht anders sein, denn sonst wäre nicht zu erklären, dass die Bundesregierung seit Bestehen der Bundesrepublik fast jedes Jahr mehr Geld ausgegeben als sie über Steuern wieder eingezogen hat. Die „Staatsverschuldung” misst ja genau die historische Differenz zwischen Staatsausgaben und Steuereinnahmen. Rein logisch könnte es sie nicht geben, wenn der Staat erst Steuern einnehmen müsste und dann Geld ausgeben könnte.

Die Idee, dass Staatsausgaben die Inflation erhöhen, kann ebenfalls als Argument nicht überzeugen. Wenn das stimmen würde, müssten Länder mit hohen Staatsquoten (Staatsausgaben geteilt durch das BIP) wie Dänemark (2,4%) oder Finnland (4,1%) eine höhere Inflationsrate aufweisen als Deutschland (6,8%, jeweils Juni 2023) – das tun sie aber nicht. Die Idee hinter der Schuldenbremse, eine „Nachhaltigkeit” der Staatsverschuldung zu garantieren, ist ähnlich fragwürdig. Die griechische Staatsverschuldung betrug Anfang 2020 über 210 Prozent des BIP. Wenn das ohne Probleme möglich ist, warum sollen dann unsere kümmerlichen 66% aus 2022 ein Problem sein? Die Zahlungsfähigkeit der griechischen wie auch der deutschen Bundesregierung wird durch die EZB abgesichert, die als „Dealer-of-last-resort” Staatsanleihen handelt und somit eine permanente Nachfrage danach garantiert. Da sie dies bereits seit 2012 so handhabt, sind nationale Schuldenbremsen überflüssig. Die etwas weiter gefassten Defizitgrenzen der EU sind auch noch zu eng, aber aktuell gibt es ja die Möglichkeit, die Fiskalregeln der Eurozone anzupassen.

Wie kann man den Rechtsruck in Deutschland aufhalten?

Aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl zufolge steht die AfD deutschlandweit aktuell bei über 20 Prozent. Der IWF und die Bundesregierung haben gerade ihre Konjunkturprognosen nach unten korrigiert, und das war noch vor dem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel und den daraufhin steigenden Weltmarktpreisen für Erdgas. Der Sachverständigenrat wird Anfang November seine Prognose für 2024 aktualisieren und es stellt sich die Frage, woher die Nachfrage kommen soll, die die Wirtschaft aus der Rezession holt? Wenn die Bundesregierung jetzt das Blatt in die Hand nimmt und eine öffentliche Investitionsoffensive verkündet, dann würde sich die Stimmungslage in der Wirtschaft wieder aufhellen. Das gälte auch für die Konsumenten, denn aktuell kühlt sich der Arbeitsmarkt merklich ab.

Aktuell haben wir fast 2,7 Millionen Arbeitslose in Deutschland und liegen bei einer Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent. 3 Millionen Menschen bilden die „stille Reserve”, die sich Arbeit wünschen. Davon wiederum suchen 1,3 Millionen Menschen keine Arbeit, weil sie Angehörige pflegen oder weil sie glauben, keinen passenden Arbeitsplatz finden zu können. Wir sind also keineswegs bei einer wirtschaftlichen Vollauslastung angelangt, weder bei den Arbeitskräften noch in anderen Bereichen von Ressourcen und Energie. Daher könnten wir uns den Ausbau der öffentlichen Güter, Dienstleistungen und Infrastruktur problemlos leisten. 

Investitionen in die soziale Absicherung würden insbesondere Altersarmut sowie Kinderarmut reduzieren sowie die Angst vor beidem deutlich reduzieren. Aktuell sind fast 6 Millionen Menschen überschuldet, wobei bei einem Fünftel Arbeitslosigkeit der Hauptgrund ist. Staatliche Investitionen können also auf Angebots- und Nachfrageseite gleichzeitig wirken. Das gilt auch in dem Bereich Bildung. Wenn die Zahl der SchülerInnen stärker steigt als prognostiziert, dann müssen mehr LehrerInnen ausgebildet und eingestellt werden. Bisher haben wir es in Deutschland immer hinbekommen, bei wachsender Bevölkerung eine bessere Infrastruktur bereitzustellen und es gibt keinen Grund dafür, warum das nicht auch diesmal gelingen sollte. Das gilt auch für den Bereich Wohnen, wo der soziale Wohnungsbau durch einen kommunalen Wohnungsbau abgelöst werden müsste, denn selbst die Mittelschicht ist bei aktuellen Immobilienpreisen nicht mehr in der Lage, Eigentum zu erwerben. Ein Haus mit Garten in den Berliner Außenbezirken beispielsweise ist unter einer Million Euro nicht zu bekommen. Wohnungen sind nirgendwo mehr erschwinglich, weder zur Miete noch als Eigentum. Dies führt dazu, dass immer mehr Menschen außerhalb wohnen und pendeln, was die Umwelt und die Infrastruktur überstrapaziert. Eine Marktlösung ist seit Jahren nicht in Sicht, dafür sind anscheinend die Einkommen der Mittelschicht zu gering.

Niemand glaubt im Jahr 2023 daran, dass der Staat alle unsere Probleme lösen kann. Auch wenn die FDP gewisse Phantomschmerzen hat, gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, dass der Staat gerade in Krisenzeiten – wie in der Pandemie deutlich gesehen – unverzichtbar ist. Ohne Kurzarbeitergeld und KfW-Kredite wären wir nicht so gut durch die Pandemie gekommen. Allerdings ist es offensichtlich, dass der Staat in einigen Bereichen permanent mehr investieren muss, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Und wenn man etwas tut, dann kann man es auch richtig machen. Der Staat sollte sich stärker um die Sorgen und Nöte der BürgerInnen kümmern, und eine Investitionsoffensive ist genau dazu geeignet. Es geht darum, die Angst vor dem sozialen Abstieg wirksam einzudämmen. Neben einem Zugewinn an individueller Freiheit wird dann sicherlich auch das Thema Migration und die AfD wieder im Hintergrund verschwinden.