Foto von Grooveland Designs auf Unsplash,  Levy Economics  Institute  of Bard College

Exzesse und Dynamik auf den Finanzmärkten

Die Zukunft als bessere Variante der Vergangenheit – von dieser Selbsttäuschung leben die Finanzmärkte in guten Zeiten. Doch schon die kleinste Störung kann sie ins Chaos stürzen, wie man in diesen Tagen wieder an der Pleite der Silicon Valley Bank sehen kann. Hyman Minskys Theorie erklärt, wo der Ursprung dieser notorischen Instabilität liegt.

Eine Bankenpleite der Silicon Valley Bank scheinbar aus dem Nichts – und schon bricht Verunsicherung aus. Die Aktien der Banken gerieten diese Woche stark unter Druck. In der Schweiz traf es vor allem die Credit Suisse, die die Schweizerische Nationalbank um Hilfe bat, um einen Konkurs abzuwenden, der aufgrund der engen, hochkomplexen und unübersichtlichen Verflechtungen im Bankensektor auch andere Institute in Schwierigkeiten bringen könnte. Eine mögliche Folge wären Dominoeffekte, wie wir sie zuletzt bei der Lehman-Pleite erlebt haben, die fast die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund gerissen hat.

Dass der Kapitalismus inhärente instabil ist, dürfte jedem auffallen, der sich aus einer Vogelperspektive die Entwicklungen der letzten 200 Jahre anschaut. Arbeitskämpfe, Finanzkrisen, Kriege und nun die gewaltige Klimakrise – es scheint, als wären Verwerfungen eher der Normal- als der Ausnahmezustand.  Aufgrund der gewaltigen Dynamik, die dem Kapitalismus innewohnt, haben einige der größten Denker der letzten Jahrhunderte diverse Erklärungsversuche geliefert. Von Marx über Schumpeter und Polanyi bis hin zu Keynes, Robinson und Minsky. Sie alle gingen in unterschiedlicher Weise an die Frage wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Dynamik heran und lieferten unterschiedliche Einblicke. 

Mit der Coronakrise, den Turbulenzen auf den Kapitalmärkten, und den sich nun verschärfenden Finanzierungsbedingungen (insbesondere im globalen Süden) lohnt es sich vor allem die Rolle der Finanzmärkte nochmals unter die Lupe zu nehmen. In den 1980er Jahren führten Verwerfungen auf den Finanzmärkten durch den Zinsschock in den USA zu einer gewaltigen Krise und zu einer verlorenen Generation in Lateinamerika und Afrika, in den 1990er Jahren machten dann Finanzkrisen über Mexiko, Asien, Russland und Südafrika nach Lateinamerika (Brasilien, Argentinien) die Runde, bevor das globale Finanzbeben von 2007-2008 auch den globalen Norden erwischte. Mit der Corona- und Energiepreiskrise, die sich in hohen Inflationsraten verfestigten, wird nun wieder der globale Süden ins Visier genommen, wo sich die Lage von Tag zu Tag zuspitzt. 

Kapitalmärkte im Dienst der Wirtschaft 

Eigentlich sind Kapitalmärkte im Dienst der Wirtschaft unerlässlich für wirtschaftliche Entwicklung und technologische Innovationen. Wenn die Unternehmen, Haushalte und Regierungen nicht an günstiges, aus dem Nichts geschaffenes Kapital kommen, kann es schlicht keine Entwicklung geben. Insbesondere Schumpeter verwies darauf, dass die Bankiers deshalb als „Ephor des Marktes“ zu sehen seien, die die schöpferische Zerstörung überhaupt in Gang setzen würden. 

Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Entwicklungsökonom. Er promovierte als Stipendiat des Economic and Social Research Council (ESRC) am Institut für politische Ökonomie der Universität Sheffield. Derzeit ist er als Referent für Wirtschaftspolitik in Berlin tätig. Zuvor arbeitete er als Berater für die Vereinten Nationen zur Finanzmarktstabilität im globalen Süden sowie zur wirtschaftlichen Entwicklung in Ostafrika. Im Westend Verlag erschien zuletzt »Kampf der Nationen« (2022).

Allerdings haben sich die Finanzmärkte in den letzten 50 Jahren wieder verselbstständigt und unzählige Währungs- und Finanzkrisen rund um den Globus verursacht. Von ihrer Rolle als Dienstleister und Ermöglicher einer stabilen und sich idealerweise nachhaltig entwickelten Wirtschaft sind sie weiter entfernt denn je. Dabei haben sich die Regulierungen seit der Finanzkrise von 2008 vervielfacht, um irgendwie Stabilität ins Gebilde zu bekommen. „Makroprudenzielle Maßnahmen“ nannte man diese Ansätze in Fachkreisen, die das Finanzsystem in sich stabiler machen und die Realwirtschaft besser schützen sollten. Oftmals bezogen sich die Argumente für eine striktere Bankenregulierung auf den Ökonomen Hyman Minsky, der auf Grundlage der Arbeiten von John Maynard Keynes die Theorie der instabilen Kapitalmärkte maßgeblich prägte. Doch die Märkte bleiben instabil, was die letzten 10 Jahre uns in aller Deutlichkeit vor Augen führen. Auch in diesen Tagen erlebten wir es gerade, wie ein Einbruch der Anleihepreise scheinbar aus dem Nichts zum Aus der Silicon Valley Bank (SVB) und damit zur zweitgrößten Bankenpleite der USA führte. Die amerikanische Notenbank hat derzeit alle Hände voll zu tun, die sich ausbreitende Panik auf den Märkten durch massive Interventionen einzudämmen und die Märkte zu stabilisieren. Wie kann es sein, dass es immer und immer wieder zu solchen Krisen kommt, die hintenraus sogar ein Eigenleben entwickeln können?

Hyman Minsky: Finanzmärkte sind inhärent instabil

Der erste Schwachpunkt des Ansatzes der „makroprudenziellen Regulatorik“, auf dem die gesamte Regulierung nach der Finanzkrise aufbaut, dürfte sein, dass sie sich nur schwer mit Minskys eigentlicher Theorie vereinbaren lässt. Es war gerade Minsky, der argumentierte, dass Finanzmärkte inhärent instabil sind – und nicht, dass sie sich durch hochkomplexe Regeln stabilisieren lassen. Minsky war aus diesem Grund ein Befürworter eines großen staatlichen Sektors, um die Auswirkungen der instabilen Kapitalmärkte auf die Wirtschaft zu begrenzen. Für hochkomplexe Systeme braucht es Minsky zufolge einfache Regeln – weshalb er das moderne Regulierungssystem vermutlich ablehnen und es vereinfachen wollen würde. Dies könnte zum Beispiel Regeln wie die Neuauflage eines Glass-Steagall Acts beinhalten, der 1933 eine strikte Trennung des Investments- und Retailbankings einführte. Spekulanten könnten dann einfach pleitegehen, ohne, dass dies die Kernoperationen des Bankengeschäfts beeinträchtigen würde. Kettenreaktionen und Auswirkungen auf die Realwirtschaft wären damit minimiert. Zentralbankinterventionen auf den Devisenmärkten, die die Inflationsdifferenzen verschiedener Währungen ausgleichen, könnten ein weiterer, sehr einfacher Ansatz sein, um Spekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ebenso wie ein Verbot bestimmter Derivateprodukte, die oftmals eine eigene Dynamik entwickeln und die Instabilitäten verstärken (wie beispielsweise während der Finanzkrise 2008). 

Die Grundannahme bei Minskys Überlegungen war immer, dass die Instabilität ein integraler Bestandteil des Finanzsektors ist. Doch wie kam er zu dieser Einsicht? Zunächst einmal sei erwähnt, dass Minsky selbst ein Banker an der Wall Street gewesen ist, der die Aufs und Abs der Finanzmärkte am eigenen Leib verspürte. Er war sich insbesondere der Rolle fundamentaler Unsicherheit bewusst, deren Einfluss auch schon John Maynard Keynes hervorhob und die einer jeden Entscheidung auf den Finanzmärkten zugrunde liegt. 

Fundamentale Unsicherheit als Ausgangspunkt 

Da die Zukunft eine große Unbekannte ist, können wir uns bei unseren Entscheidungen nur auf Konventionen und auf Informationen aus der Vergangenheit verlassen. Auf den Finanzmärkten, so stellt Minsky in Anlehnung an Keynes (1937) fest, beruhen Entscheidungen überwiegend auf der Annahme, dass „die Gegenwart ein ‚brauchbarer Wegweiser für die Zukunft‘ ist, (…) dass die bestehenden Marktbedingungen gute Wegweiser für künftige Märkte sind, und [dass] ‚wir uns bemühen, uns dem Verhalten der Mehrheit oder des Durchschnitts anzupassen’“ (Minsky, 2008, S. 64). 

Unsere Entscheidungsfindung im Hier und Jetzt ist somit eine Funktion dessen, wie wir selbst und die Marktteilnehmer um uns herum die Lage wahrnehmen und wie wir sie auf Basis unseres Wissens aus der Vergangenheit und Gegenwart interpretieren. Dies gibt uns die Grundlage für unsere in die Zukunft gerichteten Handlungen. Da die Zukunftsaussichten jedoch „plötzlichen und heftigen Veränderungen unterworfen sind“, bedeutet dies, dass all diese Techniken, die wir zur Unterstützung unserer Entscheidungsfindung einsetzen, unabhängig davon, wie ausgeklügelt sie erscheinen mögen, „zum Scheitern verurteilt sind“ (Keynes, 1937, S. 214-215). Als Beispiel für solche scheinbar aus dem Nichts kommenden Veränderungen könnte man hier das Platzen der Häuserblase, plötzlich kollabierende Rohstoffpreise oder ein Virus nennen, das die Welt zum Stillstand bringt.

Die Ausschläge auf den Finanzmärkten, die solch heftige und unvorhergesehene Änderungen auslösen, werden durch gehebelte Wetten (Spekulation mit geringem Eigen- und hohem Fremdkapital), Herdenverhalten sowie immer komplexere finanzielle, politische und soziale Verflechtungen verstärkt. Die wichtigste Erkenntnis der keynesianischen Ökonomie, auf die sich Minsky beruft, besagt also, dass es die Ungewissheit selbst ist, die die Ansichten der Marktteilnehmer und damit ihre Entscheidungen und ihr Verhalten von Natur aus instabil und unvorhersehbar macht.

Interdependenzen in einer Geldwirtschaft 

Während Instabilität grundsätzlich mit Ungewissheit verbunden ist, führte Minsky einen weiteren, wesentlichen Faktor ins Spiel, der die Instabilität sowie die Auswüchse der Finanzmärkte in beide Richtungen verstärkt: die Interdependenzen, die sich in einer monetären Wirtschaft zwischen den Akteuren ergeben. 

Minsky wies darauf hin, dass sämtliche Akteure, seien es Haushalte oder private und öffentliche Organisationen, über ihre Bilanzen in fundamentaler Weise voneinander abhängig sind. Jeder Akteur besitzt in einer monetären Wirtschaft ein einzigartiges Finanzportfolio, das aus Vermögenswerten und Verbindlichkeiten besteht. Die Verbindlichkeiten sind mit zukünftigen Cashflow-Verpflichtungen gegenüber anderen Parteien verbunden. Finanzielle Vermögenswerte hingegen sind ein Anspruch auf künftige Zahlungsströme von anderen Akteuren (oder, im Falle von Bargeld, eine Versicherung gegen mögliche Marktschwankungen). 

Der Charakter der Zahlungsströme untereinander hängt von der Art des Vermögenswerts oder der Verbindlichkeit ab. Von Unternehmen emittierte Schulden beispielsweise sind zwangsläufig unsicher, da sie fundamentaler Ungewissheit über die Zukunft in einem offenen und komplexen System unterworfen sind. Staatsschulden hingegen werden, wenn sie in eigener Währung ausgegeben werden, zweifelsfrei bedient werden können, da dem Staat sein eigenes Bargeld nicht ausgehen kann. Das Bargeld selbst spielt wiederum eine besondere Rolle im Geldsystem. Es wirft keine Zinsen ab, kann aber gleichzeitig jede finanzielle Verbindlichkeit begleichen und die damit einhergehenden Cashflow-Verpflichtungen erfüllen. Bargeld hat also eine Kehrseite in Form von entgangenen Erträgen (beispielsweise durch die Einnahmen aus verzinsten Anleihen) und den Vorteil in Form einer Versicherung. Wie viel oder wenig man davon hält, hängt entsprechend von der Liquiditätspräferenz ab.

Da sich Minskys Theorie auf die Schumpetersche Kredit- und Finanztheorie stützt, erkennt er, dass Geld vom Bankensektor durch die Vergabe von Krediten geschaffen wird, für die keine vorherigen Ersparnisse erforderlich sind. Zweitens sieht Minsky im Bank- und Finanzwesen „eine gewinnorientierte Tätigkeit“, was bedeutet, dass die Banker wie in jeder anderen kapitalistischen Industrie „nach Innovationen bei den von ihnen erworbenen Vermögenswerten und den von ihnen vermarkteten Verbindlichkeiten streben“, um ihre Rentabilität zu steigern. 

Beziehen wir an der Stelle die fundamentale Ungewissheit mit ein, können wir verstehen, warum die Finanzmärkte Minsky zufolge inhärent instabil sind. Wie er schreibt, bedeutet Ungewissheit nämlich, dass das Verhältnis von Cash-Einnahmen zu Cash-Verpflichtungen immer einer Spekulation unterliegt, da finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten „die Ansichten von gestern verkörpern“ und sich zugleich auf Einnahmen und Ausgaben „von heute und morgen“ festlegen (Minsky, 2008, S. 75). Mit anderen Worten: Unabhängig davon, ob die Finanzmarktteilnehmer optimistisch oder pessimistisch sind, „eine Entscheidung zu treffen bedeutet, eine Wette einzugehen“ (ebd.).

Booms & Busts 

Durch die Interdependenzen zwischen den Akteuren und Stimmungsänderungen auf den Finanzmärkten sind die Verbindlichkeits- und Vermögensstruktur der Märkte stetiger Veränderung unterworfen. Dies erlaubt es uns zu verstehen, welche Mechanismen der Finanzspekulation (weit über die Aktienmärkte hinaus) zugrunde liegen und warum die Finanzmärkte oft unbeständigen Boom- und Bust-Zyklen ausgesetzt waren. 

In Boomzeiten zahlen sich spekulative Wetten in der Regel aus. Die Kapitalanlagen steigen im Wert und die Erträge aus den Finanzportfolios reichen aus, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Oft werden Erwartungen sogar übertroffen. Steigende Vermögenspreise und das stetige Übertreffen der eigenen Erwartungen führen dazu, dass das Vertrauen in die eigene Fähigkeit steigt, die Zukunft richtig prognostizieren zu können. Dieses gesteigerte Selbstbewusstsein ermutigt die Marktteilnehmer zu einer stärkeren Fremdfinanzierung, da die höheren Kapitalbewertungen die Verschuldungsstruktur nachhaltig aussehen lassen. Das bietet zusätzlichen Spielraum für mehr Fremdverschuldung. Darüber hinaus steigert eine höhere Fremdfinanzierung die Gewinne pro Aktie (wovon wiederum oft die Kompensation des Managements abhängt) und sorgt durch die steuerliche Absetzbarkeit für geldwerte Vorteile. 

Zudem gibt es im heutigen Finanzsystem, in dem sich die Kreditschöpfung zunehmend von der klassischen Bankkreditvergabe hin zu einer verbrieften, marktbasierten Finanzierung verlagert hat, den zusätzlichen Effekt, dass höhere Preise der Wertpapiere, die als Sicherheiten für Repo-Einlagen dienen, den Finanzakteuren eine weitere Hebelung ihrer Positionen ermöglichen. Wie Minsky voraussah, haben die Innovationen in der marktbasierten Finanzierung aus technischer Sicht den Spielraum für die Hebelwirkung erheblich vergrößert und den Überblick darüber, wie nachhaltig die entstehende Verbindlichkeitsstruktur sein kann, zunehmend undurchsichtig gemacht, wie wiederkehrende Turbulenzen auf den Repo-Märkten zeigen.

Gute Zeiten und Finanzinnovationen verändern daher die Risikowahrnehmung auf den Finanzmärkten, was zu einem steigenden Verhältnis von Schulden zu Eigenkapital führt. Solange die immer optimistischeren Erwartungen in Bezug auf Renditen und Erträge erfüllt werden, fließen den Anlegern Kapitalgewinne zu, die Liquidität auf den Finanzmärkten bleibt hoch, und die Maschinerie läuft wie geschmiert. Der Wendepunkt kommt, wenn sich die Marktstimmung ändert. Wenn Spekulanten bei bestimmten Bewertungen plötzlich Angst bekommen, wenn das Vertrauen mit der Zeit abnimmt, dass die Verbindlichkeiten bedient werden können und die Kreditaufnahme bei Finanzinstituten nachlässt – dann wendet sich das Blatt. Die Stimmung kippt und die Anleger beginnen mit einer konservativen Umstrukturierung ihrer Bilanz. 

Wenn die Zahlungsverpflichtungen die (erwarteten) Einnahmen übersteigen, z. B. aufgrund eines übermäßigen Anteils an Fremdfinanzierung oder eines unvorhergesehenen Schocks, versuchen die Anleger, ihre Position zu verbessern, indem sie zunächst ihre eigenen fremdfinanzierten Positionen abbauen. Dies beinhaltet entweder einen Verkauf von Finanzanlagen, über den sie an Cash kommen, oder zunächst eine bloße Verlangsamung von Akquisitionen, die sich später beschleunigen kann. Wenn viele Anleger gleichzeitig versuchen, sich Cash zu beschaffen, fallen die Preise für Vermögenswerte, und die Liquidität versiegt. Ein sich selbst verstärkender Zyklus setzt ein, da Nachschussforderungen (sogenannte „margin calls“) und Panik auf dem Markt den Wert von Finanzanlagen weiter drücken und die Nachfrage nach Cash in die Höhe treiben. In der Zwischenzeit wetten Spekulanten, die in der Boomphase in Erwartung von Preissteigerungen auf weitere Preissteigerungen gesetzt haben, auf einen Bärenmarkt, sodass die Nachfrage nach Short-Positionen steigt und damit der Abschwung verstärkt wird. In der Realwirtschaft beginnen die Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ebenfalls, ihre internen Mittel zur Sanierung ihrer Bilanzen zu verwenden, anstatt in ihre Produktionskapazitäten zu investieren.

Turbulenzen auf den Finanzmärkten stecken die Realwirtschaft an

Dies wirkt sich auf die gesamte Investitionsdynamik und die Gesamtnachfrage aus, so dass auf einen Abschwung an den Finanzmärkten eine Rezession in der Wirtschaft folgt. Minsky skizziert, dass die einzige Möglichkeit, den schulden-deflationären Zusammenbruch zu stoppen, in einem entschlossenen Eingreifen des Staates besteht. Nur der Staat kann mit Hilfe seiner Zentralbank die Geldströme und damit die Vermögenspreise stabilisieren.

Während einer Depression oder Rezession bleibt die Stimmung auf den Finanzmärkten gedrückt. Da in einer Welt der Ungewissheit die Gegenwart weiterhin als Richtschnur für die Zukunft dient, bleiben die Aussichten für die Unternehmen düster und die Anleger handeln entsprechend. Die Rückzahlung von Verbindlichkeiten und die Bereinigung der Bilanzen sind die Hauptziele auf dem Markt, was zu einer Bilanzrezession führt. Wenn die staatliche Politik den Markt schließlich stabilisiert und die Erholung einsetzt, schwindet die Erinnerung an die Vergangenheit, und der zyklische Prozess beginnt von Neuem. Nach einer Periode vorsichtiger Finanzierung deuten die Kapitalgewinne und die Kursgewinne darauf hin, dass Spielraum für eine höhere Fremdkapitalfinanzierung vorhanden ist. Positive Rückkopplungsschleifen bestätigen die optimistischen Aussichten der Anleger, verschieben die Risikowahrnehmung und erhöhen die Verschuldungsquote, was zu einer immer fragileren Verbindlichkeitsstruktur führt, bis sich die Stimmung auf den Märkten sich dreht. Auf diese Weise lässt sich Minskys zentrales Theorem in einem Satz zusammenfassen: „Stabilität erzeugt Instabilität.“

Von Minsky zu lernen heißt somit, den Finanzmärkten möglichst einfache, dafür aber sehr rigide Regeln entgegenzusetzen. Ähnlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Erinnerungen an die Spekulationsexzesse der 20er-Jahre und deren Folgen, die letztendlich im Weltkrieg mündeten, noch in schmerzhaftem Bewusstsein verankert waren und dazu führten, dass die Finanzmärkte an die Kette gelegt wurden. Zugleich betont Minsky aufs Neue, wie wichtig ein agiler und aktiver Staat ist, um die Wirtschaft zu stabilisieren und damit größere Verwerfungen zu unterbinden. Gerade im Hinblick auf die Klimakrise und die sich zuspitzende finanzielle Lage im globalen Süden könnten diese Erkenntnisse nicht aktueller sein.

Literatur

Zitate sind freie Übersetzungen aus:
Keynes, J. M. (1937). The General Theory of Employment. Quarterly Journal of Economics, 51.
Minsky, H. (1992). The Financial Instability Hypothesis. Levy Economics Institute Working Papers No. 74.
Minsky, H. (2008). John Maynard Keynes. McGraw-Hill.